Dienstag, 04.10.2005 | Ein Stadtentwicklungs- uns Freiraumkonzept für Brixen

Studenten der TU Wien üben ganzheitliches Planen am Beispiel Brixen. Eine Herausforde-rung nicht nur für die Studierenden aber auch für die Stadtregierung, die einige Anregungen und Erkenntnisse aus der nun vorliegenden Studie entnehmen kann. Aber sind die Vor-schläge weitgehend und differenziert genug?

Vor genau einem Jahr begann das Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwer-fen unter der Leitung von Univ.Ass. Dipl.-Ing. Peter Risto zusammen mit dem Institut für örtli-che Raumplanung geführt von Vertr.Ass. Dipl.-Ing. Dr.techn. Helene Linzer mit insgesamt 9 Studenten der Abschlusssemester eine Lehrveranstaltung, die sich die Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes für Brixen zur Aufgabe machte. Noch von Altbürgermeister Seebacher unterstützt, besuchten die Studenten Brixen, machten Bestandsaufnahmen und ließen sich von der Stadtverwaltung und Gemeinderäten über die Probleme Brixens informie-ren. Jetzt stellten sie am 3. Oktober 2005 in der Cusanus Akademie Brixen ihre Arbeitser-gebnisse vor. Die Präsentation fand vor zahlreichen interessierten Brixner Bürgern statt, an ihrer Spitze Bürgermeister Pürgstaller, 2. Bürgermeister Stablum und einige Gemeinderäte.

Die Studenten begannen mit der Erklärung eines von ihnen entwickelten Leitbildes für Bri-xen, das die Stadt in erster Linie als Tourismusdestination darstellt. Es folgten Erläuterun-gen, die in die vier Kapitel Siedlungs- Tourismus- Verkehrs- und Freiraumkonzept aufgeteilt waren. Das Siedlungskonzept basiert auf einem steigenden Wohnbaulandbedarf, der aus der ständig wachsenden Bevölkerungszahl resultiert, schlägt eine innenräumliche Verdich-tung auf Sanierungsflächen (z.B. ehem. Militärgelände) vor und weist erhebliche Neubauzo-nen entlang der östlichen Hangkante von Köstlarn bis Milland vor. Das Tourismuskonzept kritisiert den vierfachen, nicht koordinierten Internetauftritt Brixens, der für interessierte Be-sucher mehr als verwirrend ist, befürwortet den Bau eines Tourismuszentrums an der Nord-einfahrt zur Altstadt ebenso wie ein Besucherzentrum im Gewerbegebiet und schlägt ein Wanderwegekonzept mit Naturlehrpfad am Eisack vor. Das Verkehrskonzept befasst sich ausschließlich mit dem Straßenverkehr, der Ortsumfahrung mit angeschlossenen Parkplät-zen für die Altstadt, die noch umfassender vom Fahrverkehr befreit werden sollte und weist ein in sich geschlossenes sicheres Radwegnetz aus. Das Freiraumkonzept plädiert für In-nerstädtische Grünraumverbindungen die auf den Fluß orientiert sind, fordert weitere Grün-anlagen in der Stadt – insbesondere unter Einbeziehung der Obstanlagen der Hofburg und setzt sich für eine Durchgrünung der als besonders wenig attraktiv empfundenen Gewerbe-gebiete ein.

In der anschließenden lang und lebhaft geführten Diskussionsrunde gab es die Frage, ob die Studenten nicht etwas aggressiver, frecher und innovativer, vielleicht sogar visionär, die Probleme Brixens hätten angehen sollen. Viele der Feststellungen sind bekannte Aufgaben, für die teilweise in den Schubladen der Verwaltung Pläne vorliegen (z.B. das Radwegekon-zept). Einigen erschien das Eingehen auf drängende Probleme zu wenig differenziert und mit zu wenig Tiefenwirkung, insbesondere das Leitbild der Stadt betreffend. Tourismusdestinati-on allein zu sein sei bei dem riesigen globalen Angebot nicht mehr ausreichend. Es sollte vielmehr untersucht werden, welche Art des qualifizierten Städtetourismus – z.B. der Kultur, der Kongresse und der speziellen Veranstaltungen – Brixen eine gefragte Sonderstellung verschaffen würde, u.U. vernetzt mit den anderen Städten und Gemeinden des Eisacktales. In der Diskussion um das Leitbild sei auch zu klären ob das unkritisch hingenommene weite-re Wachstum Brixens nicht doch in Frage gestellt werden müsse um den natürlichen und infrastrukturellen Raum der Stadt nicht zu sprengen. Angezweifelt wurde auch ob eine undif-ferenzierte Durchgrünung Brixens die richtige Antwort auf die komplexen Fragen der Urbani-tät, der Gestaltung und des Verkehrs ist: der Wert der Stadträume in der Altstadt würde etwa nicht durch fehlendes Grün gemindert sondern u.a. durch den immer noch vorhandenen Fahrverkehr. Um die Identität der Altstadt und deren Baukultur in neue Baugebiete in unserer Zeit fortzuführen bedürfe es vielmehr - statt nur Grü - vorausschauender konsequenter städ-tebaulicher Planung und hochqualifizierter Architektur. Beim Verkehrskonzept wurde ein Ein-gehen auf den Schienenverkehr als Entlastung der Strasse und Aussagen zur Situation des Bahnhofes vermisst und ein Naturlehrpfad als ein gestriges Auslaufmodell empfunden.

Trotz dieser Einwände, die Bürgermeister Pürgstaller in seinem Schlusswort nochmals zu-sammenfasste, betonte er - wie viele der übrigen Redner auch - den Wert des Stadtent-wicklungs- und Freiraumkonzeptes der Studenten für die weiterführende Diskussion des Brixner Leitbildes und der künftigen politischen Entscheidungen im Stadtrat. Zum besseren Verständnis dieser Thematik hat der Abend der Bürgerinformation sicherlich beigetragen und man kann sich nur wünschen, dass an weiteren Veranstaltungen dieser Art ähnlich zahlreich und interessiert teilgenommen wird – hier werden mit den Bürgern zusammen die Grundla-gen für Stadtpolitik geschaffen.

Andreas Gottlieb Hempel
(687 Wörter / 5264 Zeichen mit Zwischenräumen)



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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