Sonntag, 04.09.2005 | Noch ein Aufguss

Inzwischen haben wir in Acquarenien trotz starkem Andrangs weiter gesaunt. Hier verraten wir, wann es nicht so voll ist und warum das eigentlich ungerecht ist. Es handelt sich jedoch um den Aufschrei einer unterprivilegierten männlichen Seele.

Es war vier Uhr nachmittags, als A. sich entschloss, mal etwas früher am Tage in die Sauna des Acquarena zu gehen. Vielleicht ist es ja dann noch nicht so voll, dachte er. Und siehe da – es war gähnend leer. Eine Dame hockte mit hochrotem Kopf und glasigem Blick auf einem der Stühle im Freibereich. Sie dampfte und schnappte nach Luft. Offensichtlich kam sie frischgebacken aus der finnischen Sauna. Herumgehen und durchatmen, dachte A., bloß nicht sitzen bleiben. Ganz hinten im Wintergarten war eine weitere Dame im Bademantel, die Füße und den Kopf mit Frotteetüchern umwickelt. Das Tuch um den Kopf war zu einem Tur-ban aufgetürmt. Ermattet vor Wellness schlummerte sie milde lächelnd. A. fiel immer noch nichts auf. Gerade hatte er es sich auf einer Liege bequem gemacht, die Zeitung aufgeblät-tert und war sehr mit sich und seiner Idee des frühen Saunens zufrieden, als der Bademeis-ter, der Saunawart, der Schwitzberater oder welchen Titel man der Aufsichtsperson auch immer geben möchte, fuchsteufelswild und mit gesträubten Haar angeeilt kam. Heute ist Donnerstag, fuhr er A. an. Na, und? Damensauna! Ach ja! A. fiel es wie Schuppen von den Augen, natürlich, keiner der üblichen Verdächtigen aus der Herrenriege war anwesend, nur die beiden Damen. Ja, was machen wir denn da? fragte er den Zerberus scheinheilig, in der Hoffnung, bleiben zu können. Man könnte die anwesenden Damen ja fragen, ob man wirklich störe. Raus!!! rief die Amtsperson mit ausgestrecktem Arm zur Tür, und nicht vor sechs Uhr wiederkommen!

Geknickt packte A. seine Siebensachen und wanderte hinunter ins Grissino. Bitte ein Weiß-bier. Er grämte sich ein wenig, nun die Zeit bis sechs Uhr totschlagen zu müssen. Beim zweiten Weißbier fing er an sich aufzuregen. Wer sind wir Männer eigentlich, dass wir uns in öffentlichen Einrichtungen aussperren lassen müssen, fragte er sich halblaut – Menschen zweiter Klasse? Er habe ja Verständnis dafür, dass manche Damen ihre Lichtgestalten nicht unbedingt den glotzenden Blicken aufdringlicher Kerle aussetzen wollen und gerne vielleicht sogar in Grüppchen ungestört schnattern wollen. Gespräche, viel zu fein für Männerohren. Aber haben wir Männer nicht auch ein Recht auf privacy? Nicht immer den Bauch einziehen zu müssen wenn Damen ins Blickfeld laufen? Sich ungestört ächzend, schwitzend und schnaubend wie ein fettes Nilpferd auf dem Handtuch in der Heusauna zu räkeln ohne Rücksichtsnahme auf indignierte Damen? Und überhaupt – haben nicht auch Männer einen Anspruch darauf, sich den prüfenden Blicken des anderen Geschlechts zu entziehen und unter Gleichgesinnten endlich einmal zu relaxen? Warum wird nicht zum Beispiel der Diens-tag als Herrentag eingerichtet wenn schon der Tag des Herrn als Familientag geführt wird?

Überhaupt Anspruch, fragte sich A. aufgebracht beim dritten Weißbier. Haben denn die Männer keinen Anspruch auf einen Preisnachlass, wenn donnerstags die Sauna nur den Damen offen steht? Er kramte seinen Taschenrechner hervor und tippte ein: 580 Euro kostet die Jahreskarte, geteilt durch 360 Tage macht 1,60 Euro am Tag. Bei 52 Donnerstagen im Jahr sind das rund 84 Euro, welche die Herren der Schöpfung weniger zahlen müssten. Al-so, großzügig abgerundet: die Jahreskarte für Herren dürfte gerechterweise nur 500 Euro kosten, während es für die Damen beim gleichen Preis von 580 Euro bleibt. Und eigentlich müsste man noch die fünf Weißbier abrechnen, die A. schließlich bis sechs Uhr weggeputzt hatte bevor er sich zum Ausschwitzen dieser unverhofften Flüssigkeitsmenge schließlich ins Dampfbad begab. Da war er dann doch ganz glücklich. Übrigens waren die beiden Damen vom Nachmittag immer noch da. Aber dann wurde es rasch wieder ziemlich voll.

Andreas Gottlieb Hempel
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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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