Samstag, 26.11.2005 | Frizzi Au ist überall

Als Fahrsicherheitszentrum wird die Frizzi Au bezeichnet und jeder weiß genau, dass dort nur Moto-Freaks mit wilden Furzgeräuschen herumpreschen werden, lärmend, röhrend, Ge-stank verbreitend, Benzin verbrauchend. Was für harte Männer und ihre mannhaften Gespie-linnen, lederbekleidet und mit Moto-Guzzi-Tätowierungen, gerade gut genug sein wird um ihre getunte Präpotenz auszulassen, das wird gerade die am Steuer noch Unsicheren, die Anfänger, die frischgebackenen Führerscheinabsolventen daran hindern, dort zwischen Ral-lye- und Off-Road-Drivern etwas unbeholfen herumzukurven. Sie werden sich wie bisher sofort auf die Straße begeben um das dort vorzuführen, was sie in der Fahrschule entweder nicht gelernt oder schon wieder vergessen haben. Hier die Liste der am häufigsten beobach-teten gefährlichen Gewohnheiten Südtiroler Verkehrsteilnehmer:

  • So dicht auf den Kofferraumdeckel des Vordermannes aufzufahren, dass der die Scheinwerfer des Aggressors nicht mehr sehen kann
  • Auf der weißen, durchgezogenen Mittellinie in unübersichtlichen Kurven zu überholen
  • Zebrastreifen als den Ort zu betrachten, auf dem man alte Frauen und Kinder erlegt
  • Die Vorfahrt bei der Einfahrt in den Kreisverkehr zu erzwingen und keinen Blinker bei der Ausfahrt zu setzen
  • Geschwindigkeitsbegrenzungen grundsätzlich zu ignorieren
  • Vor dem Abbiegen kein Zeichen zu setzen
  • Während der Fahrt zu telefonieren
  • Den Motor laufen zu lassen während man schnell im Laden die Zeitung holt
  • Rasch mal in die Fußgängerzone zu fahren um am Bancomat Bargeld zu ziehen
  • Auf Gehsteigen zu parken um den Fußgängern die Straße zu überlassen
  • Die chaotische aber reaktionsschnelle Fahrweise der Neapolitaner mit dem Verhalten deutscher Autofahrer auf der Autobahn zu kombinieren – immer zu schnell und mit verzögerter Reaktion

Scherz beiseite. Neulich befand sich meine fünfjährige Tochter Lily auf dem Weg zum Mo-zart -Kindergarten mit ihrem kleinen Fahrrad mitten auf dem Zebrastreifen der Goethestrasse als ein Lieferwagen ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren vorbeibrauste – es fehlten 10 Zentimeter. Meinen wütend ausgestreckten Stinkefinger nahm der gerade telefonierende Fahrer nicht mehr wahr. Dann in der Dunkelheit vor dem neuen Kreisel bei Albeins. 30 km/h waren an der Baustelle vorgeschrieben. Der seit der Autobahnausfahrt Klausen an meiner Stoßstange klebende Geländewagen koreanischer Bauart überholt hier bei Gegenverkehr. Wir weichen nach rechts in Grüne aus, der entgegenkommende Bus bremst scharf, der Ge-ländewagen prescht in den Kreisel ohne Rücksicht auf bereits darin Befindliche. Unser Schutzengel hat alle Hände voll zu tun. Auf dem Schulweg: Lily fährt mit ihrem kleinen Fahr-rad ohne abzubremsen auf den Zebrastreifen in der Mitte der Widmannbrücke. Vor der Rosmini-Schule werden die Kinder abgesetzt und danach Gas gegeben, vor allem von Müt-tern, die offenbar schnell zum Friseur, zum Shopping oder sonst wohin müssen. Beinahe hätte eine von ihnen Lily erwischt. Mitten auf dem Zebrastreifen fehlten Millimeter zum Blut-bad. Ich stand fassungslos daneben, gegen Mütter hebt man nicht den Stinkefinger, auch wenn sie noch so indigniert dreinschauen, dass mein Kind beinahe den Kühlergrill ihres neu-en Audi verdreckt hätte. Und so fort, und so fort. Noch nie habe ich in meinem Leben – und ich war schon fast überall – so schlechte Autofahrer erlebt. Doch halt! Die Ex-Trabbifahrer der ehemaligen DDR stehen der hiesigen Fahrweise in nichts nach.

Statt Fahrsicherheitszentrum wären scharfe Kontrollen mit sofortigem Abkassieren horrender Geldstrafen nach US-amerikanischem Vorbild notwendig. Dort werden z.B. bei Missachtung eines Zebrastreifens sofort 200 Dollar in bar fällig. Wer die nicht hat, der lässt sein Auto gleich da. Das macht er nur einmal Das gleiche gilt für die strenge Überwachung der Höchstgeschwindigkeit von 80 Meilen auf den Hihgways und andere Verkehrsregeln. Des-halb das dort zu beobachtende defensive und zivilisierte Verkehrsverhalten. Solange Ver-kehrsrowdytum alla sudtirolese noch als Kavaliersdelikt gilt, Übertretungen nicht scharf ge-ahndet werden und Unbelehrbare ihren Führerschein erst nach erneuter Fahrprüfung wie-derbekommen, kann sich nichts verbessern. Und die Frizzi Au könnte Biotop bleiben.

Andreas Gottlieb Hempel
(604 Wörter / 4 235 Zeichen mit Zwischenräumen)



:: Home :: Impressum :: Sitemap

15.01.2020
Häuser des Jahres

15.01.2020
Die Bozner Freiheitsstraße

Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
Otto von Guggenberg Str. 46   I-39042 Brixen (BZ)   Italien
Tel Studio 0039-0472-836317   mobil 0039-349-7969334
privat 0039-0472-679076   e-mail info@agh.bz
Seite drucken Webseite zu den Favoriten hinzufügen