Montag, 06.02.2006 | Alles Käse? 3. Salerner Käsetagung

Alles Käse? Zur 3. Salerner Käsetagung

Käse macht sinnlich, heißt es. Wahrscheinlich wegen des hohen Eiweißgehaltes. Oder bisweilen wegen des Wohlgeschmacks. „ Man liebt den Käs’ indes man deckt ihn zu“ dichtete Wilhelm Busch analog zur Sinnlichkeit. Was ist dran am Südtiroler Käse? In Salern konnte man es studieren.

Käse sinnlich zu erfahren, besser gesagt, die Produktion von Käse und dessen Vermarktung, dazu hatte die Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern oberhalb von Vahrn zur 3. Salerner Käsetagung , einer Fachtagung zur handwerklichen Milchverarbeitung am 3. Februar 2006 eingeladen. Schon das Ankommen in Salern ist ein Vergnügen: hoch über dem Eisacktal eröffnet sich dort eine prachtvolle Aussicht nach Osten zur Lüsener Alm und zur Plose. Mag sein, das die innovative Betonarchitektur des Klassentraktes von Othmar Barth vor 35 Jahren umstritten war – sie hat sich gut gehalten und die Nutzer sind des Lobes voll über die lichtdurchfluteten großzügigen Räume.
Nach einleitenden Worten von Landwirtschafts-Landesrat Hans Berger und dem Bericht über eine beispielhafte Hofstelle in der Schweiz, auf dem das Tausendsassa-Bauernpaar nicht nur Vieh- und Milchwirtschaft betreibt, sondern neben der Hofkäserei und Loipenpflege auch noch Schulklassen zum Unterricht über Wirtschaftsbetrieb auf dem Bauernhof aufnimmt, erfuhr man von Bertram Stecher, Sennereiverband Südtirol, alles über die bäuerliche Milchverarbeitung in Südtirol. Von ganzen sieben Hofkäsereien vor dem Jahr 2000 hat sich die Anzahl dieser Betriebe verfünffacht und weitere elf Betriebe stehen in der Vorbereitung um aus den 1 Mio. Litern Kuhmilch und den 80 000 Liter Ziegenmilch, die in Südtirol erzeugt werden, schmackhafte Käse zu bereiten.
Südtiroler Käse wird auf den Hofkäsereien fast ausschließlich aus Rohmilch hergestellt. Das erfordert peinliche Sauberkeit und Sorgfalt, die der Sennereiverband den Hofkäsereien mit hohem Lob auch bescheinigt, nicht zuletzt deshalb, weil die technischen Einrichtungen auf dem allerneuesten Stand sind. Schließlich sind fast alle Hofkäsereien erst in den vergangenen fünf Jahren entstanden. An Käse wird überwiegend vollfetter Schnittkäse mit Schmier- oder Naturrindereifung hergestellt. Einen kleinen Teil der Produktion nimmt der Graukäse als besondere Südtiroler Spezialität ein. Auf dem Feld der Produktionsvielfalt besteht trotz aller Qualität noch Nachholbedarf. Wer einmal im Land der 1111 Käsesorten, Frankreich, war, der versteht sicher, was gemeint ist. Das Südtiroler Angebot ist gegen die französische und italienische Vielfalt eher bieder.
Dass es auch anders geht, zeigte das Mittagessen der Küche in Salern, die jeden der vier gereichten Gänge mit Käse zubereitet hatte. Hansi Baumgartner, inzwischen zum Südtiroler Käsepapst avanciert, bezeichnet sich selber als „Affinateur“ also „Verfeinerer“. Er wählt Käse aus und lässt ihn reifen, dabei kommen auch Kräuter und Gewürze zum Einsatz, Käse wird in Öl gelegt, gepflegt, gepinselt, gewaschen und bis zur vollen Reifung mit Argusaugen überwacht. Darüber erzählte er sehr spannend und ließ die Zuhörer ahnen, welche Entwicklungsmöglichkeiten für eine sehr spezielle Käsevielfalt auch in Südtirol künftig zu erwarten sein könnte. Allerdings ist dabei auch die Südtiroler Gastronomie gefordert, deren Käseangebot zur Abrundung eines guten Menus in der Regel mehr als kläglich ist – von der erforderlichen Beratung durch geschulten Service ganz zu schweigen. Da ist Südtirol im Vergleich mit anderen Regionen noch Entwicklungsland. Der Tag endete mit einem sinnlich machenden Käsebuffet, das wirklich Appetit auf mehr machte.

Andreas Gottlieb Hempel
(513 Wörter / 3 612 Zeichen mit Zwischenräumen)



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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