Der Verein heimat brixen/bressanone/persenon hat aufgrund alarmierender Nachrichten zur Klimaerwärmung und angesichts eines fast schneelosen Winters am 31. März eine Veranstaltung in der Cusanus Akademie Brixen zum Thema „Plose: Die Zukunft des Wintertourismus – was tun, wenn der Schnee wegbleibt?“ organisiert.
Anlass für diese Veranstaltung war die Nachricht, dass der Betreiber der Plosebah-nen seinen Betrieb nicht mehr wirtschaftlich weiterführen könne, wenn nicht ausreichende Hotelangebote an der Talstation St. Andrä geschaffen würden. Man spricht von 350 bis zu 1200 Betten. Der Brixner Verein führte daraufhin ein Umfrage unter seinen Mitgliedern durch, die sich mehrheitlich für neue Konzepte des Wintertourismus in Brixen und auf der Plose aussprachen. Übereinstimmend war man der Auffassung, dass alle Fragen vom Klimawandel über Energieverbrauch und Kosten für den Kunstschnee, neue touristische Angebote bis zur Verträglichkeit von neuen Bauten in der empfindlichen Mittelgebirgslandschaft um St. Andrä diskutiert werden sollten bevor möglicherweise Fehlinvestitionen getroffen würden
Zur Veranstaltung: Vier Grundsatzreferate leiteten die Diskussionsveranstaltung ein. Dr. Robert Steiger vom Geographischen Institut der Universität Innsbruck stellte fest, dass die Klimaveränderung zwar stattfindet, aber die prognostizierte Erwärmung von etwa 2°C die Plose wegen ihrer Höhenlage nicht sofort treffen würde. Der Fotograf und Buchautor Lois Hechenblaikner belegte anhand von eindrucksvollen Fotos die Auswüchse des Massentourismus in Nordtirol, die glücklicherweise Südtirol in die-sem Umfang noch nicht erreicht haben. Sein Fazit: der Geist unternehmerischen Tuns wirkt auf die Menschen zurück, die dadurch ihre Würde und Identität verlieren können. Markus Schuckert von der Universität Innsbruck stellte einen Wandel im Wintertourismus fest. Skifahren allein genüge nicht mehr, das Wachstum müsse von der Quantität auf die Qualität umgestellt werden. Der Gast sei erfahrener, anspruchsvoller und mobiler geworden und verlange einen neuen, nachhaltigen „sanften“ Tourismus mit vielfältigem Angebot vom Sport bis zur Kultur. Wolfgang Ritsch, Architekt und Mitglied des Gestaltungsbeirates in Südtirol betonte, das Nachhaltigkeit im Tourismus neben der Lebensqualität für Gäste und Gastgeber auch Raumqualität bedeute, welche die ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Bedingungen widerspiegelt. Eine komplexe Betrachtungsweise und Vernetzung aller Faktoren sei für erfolgreiche Konzepte und Investitionen erforderlich.
An der anschließenden Diskussion unter der Moderation von Brigitte Gasser Da Rui nahmen neben den Referenten noch Claudia Plaikner, Heimatpflegeverband Puster-tal, Albert Pürgstaller, Bürgermeister von Brixen, Christoph Engl, Direktor der Südtiro-ler Marketing Gesellschaft und Paul Profanter, Ortsvertreter von St. Andrä unter Ein-beziehung des zahlreich erschienen Publikums teil. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass sich eine überwiegende Mehrheit für die Erhaltung des Skigebietes Plose findet und dass dabei dem Betreiber der Skianlagen, Allessandro Marzola, die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Betriebsführung geboten werden müsse. Brixen und sein Hausberg Plose hängen eng zusammen. Deshalb sollte auch im Rahmen der Leitbilddiskussion in Brixen eine Tourismusstruktur gefördert werden, die einen wirt-schaftlichen und nachhaltigen ganzjährigen Tourismus ermöglicht, in dem der Win-tersport mit differenziertem Angebot seine Rolle spiele. Dabei solle der Tourismus ein Regulativ des gesamten ökologischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Ge-füges sein und nicht dominieren. Die Besonderheit Brixens und der Plose müsse in ihrer Authentizität und Identität nicht nur für die Gäste sondern auch für die Bewoh-ner erhalten werden. Die Plose sei durch ihre Lage und Landschaft etwas ganz Be-sonderes, der allerdings die Einrichtungen für den Wintersport entsprechen sollten. Da seien derzeit angefangen von der Musikbeschallung bis zur architektonischen Gestaltung Defizite festzustellen. Die Meinungen darüber gingen auseinander, ob neue Hotelbauten für den Wintersport direkt an den Liftanlagen errichtet werden soll-ten oder nicht doch besser in Brixen selbst, wo sie ganzjährig besser ausgelastet sein könnten.
Soweit so gut – oder vielmehr so schlecht. Die Anmerkung von Referent Steiger, dass die Plose nicht sofort von der Klimaerwärmung betroffen sei, beruhigte offensichtlich die Gemüter, obgleich sich jeder Kenner der Situation in diesem schneearmen Winter davon überzeugen konnte, dass der Skitourismus auf der Plose ohne Kunstschnee nicht mehr möglich ist. Nur so ist zu erklären, dass große Einmütigkeit auch unter der wenig kompetenten Diskussionsführung darüber herrschte: „Weiter so – mit kleinen Verbesserungen!“ Das Publikum war offensichtlich eingelullt. Keine Wortmeldung mehr zu dem Problem, ob Wintersport mit Kunstschnee überhaupt noch sinnvoll, wirtschaftlich oder gar ökologisch vertretbar ist. Ein Kubikmeter Kunstschnee kostet heute bereits ca. 3 Euro für elektrische Energie. Der Wasserverbrauch für den Kunstschnee für das Plosegebiet entspricht dem jährlichen Wasserverbrauch für eine Großstadt wie München oder Mailand. Und das im Brixner Becken, das mit einem jährlichen Niederschlag von 650mm/qcm nach Naturns im Vinschgau zu den niederschlagärmsten Gebieten Südtirols gehört. Wer dann die Empfehlungen des Südtiroler Vebraucherschutzes zum Wassereinsparen in den Haushalten liest, die vom Plumpsklo bis zum Trockenduschen reichen, dem kommen die Tränen!
Aber im Ernst: Südtirol erzeugt das Jahr über zweieinhalbmal soviel Strom wie es selbst verbraucht. Aber im Winter muss Südtirol Strom aus dem Veneto importieren um den Bedarf für die Kunstschneeerzeugung und den Stromverbrauch des Winter-tourismus zu decken. Stromerzeugung ist ein Riesengeschäft. Deshalb liegen jetzt der Südtiroler Landesregierung über 300 Anträge zur Errichtung von Wasserkraft-werken aller Größen vor. Auch die Zerstörung der letzen natürlichen Mäander des Eisacktales nördlich von Mauls durch einen Stausee der SEL befindet sich darunter. Selbst wenn der letzte Tropfen Wasser unter Umgehung der Restwassermengen zur Stromerzeugung genützt würde – es wird künftig nicht ausreichen um genügend Kunstschnee für den Wintertourismus zu erzeugen. Dieser würde so teuer, dass sich dieser Tourismus auch für den Gast nicht mehr rechnet. Bereits heute schon muss eine vierköpfige Familie für einen Skitag auf der Plose etwa 500 € ausgeben wenn man zu den 120 € allein für die Skipässe noch Hotel mit Halbpension, Getränke und Mittagessen und die Anfahrt dazurechnet. Für dieses Geld kann man bereits eine Woche im Viersternehotel mit Flug an irgendeinem türkischen Strand buchen. Wel-che Gäste werden sich also diesen teuren Urlaub in Südtirol noch leisten können o-der wollen?
Es wurde also die Gelegenheit verpasst, an diesem Abend über ernst zu nehmende Alternativen des Tourismus an der Plose zu reden. Wie immer hielten sich die Politi-ker bedeckt, wieweit die Verhandlungen zur Errichtung von Großhotels in St. Andrä bereits gediehen sind. Die Umwandlung der hochgerühmten Bio-Einzelhaus-Hotelanlage bei Winnebach am Helm in Ferienwohnungen zum Verkauf an vermö-gende Italiener oder Deutsche lässt bereits erahnen, was mit den künftigen Hotels an der Plose geschehen wird, wenn die erwarteten Gäste oder der Schnee ausbleiben. Nicht mit einem Wort wurde darüber geredet, ob nicht die Renaturierung der Plose in ein schönes Wandergebiet etwa eine nachhaltige Lösung sein könnte. Oder ob E-nergiesparen bei gleicher Lebensqualität an anderer Stelle nicht auch eine Alternati-ve ist. Stattdessen wurde Alessandro Marzola mit viel Beifall für seinen „selbstlosen“ Einsatz für die von ihm betriebenen Liftanlagen bedacht. Alles leider am Thema vor-bei. Es wird sich noch rächen, nicht rechtzeitig umgedacht zu haben!
Andreas Gottlieb Hempel
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