Dienstag, 01.05.2007 | Wie wird man Brixner Bürger?

Brixner 0507

In der EU herrscht grundsätzlich Niederlassungsfreiheit. Dennoch sieht sich der EU-Bürger beim Umzug in einen anderen EU-Staat bürokratischen Schwierigkeiten ge-genüber. Wie steht es damit in Südtirol?

Die europäische Gesetzgebung hat durch den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit eigentlich die Weichen dafür gestellt, dass jeder Bürger der EU sich in jedem Mit-gliedsland so niederlassen kann als ob er im eigenen Land den Wohnsitz wechseln würde. Zu schön und einfach um wahr zu sein. Immer wieder müssen die Mitglieds-staaten von Brüssel aufgefordert werden, diskriminierende bürokratische Hürden abzubauen. So musste auch das italienische Innenministerium kürzlich die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigungen den Gemeinden übertragen. Bislang geschah dies über die Quästuren durch die Carabinieri in z.T. monatelangen Verfahren, die schon so manchem zuzugswilligen EU-Bürger den letzten Nerv gekostet haben. Für die Meldebehörden der Gemeinden bedeutet das jetzt einen erheblichen Mehraufwand, der wohl kaum ohne zusätzliches Personal bewältigt werden kann. Wie das im Rahmen des Stabilitätspaktes – also ohne weitere Einstellungen – geschehen soll, muss noch geklärt werden.
Bürger der EU, die sich über drei Monate im Staatsgebiet aufhalten wollen, müssen spätestens drei Monate nach der Einreise um die Eintragung in das Verzeichnis der ansässigen Bevölkerung ansuchen. Dazu sind etwa in Brixen beim Bürgerschalter der Gemeinde folgende Unterlagen mitzubringen:
Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsbescheinigung und bei Selbstständigen ein entsprechender Nachweis. Es kann auch der Nachweis über ausreichende Existenzmittel geführt werden (z.B. Pension), bei einer Person mindestens 5.061,68 €/a. Ein umfassender Krankenversicherungsschutz, Steuernummer, Personalausweis, Beleg über die Verfügbarkeit einer Wohnung, italienisches Kennzeichen des Fahrzeugs und ein italienischer Führerschein.  Bevor der Antrag mit diesen Unterlagen weiterbearbeitet wird, erscheint in der Wohnung des Antragstellers ein Stadtpolizist, der „nach dem Rechten sieht“. Nach dessen  Bericht muss über den Antrag innerhalb von 90 Tagen entschieden werden.
Das alles überschreitet immer noch die Nachweise, die z.B. ein deutscher Staatsbür-ger bei einem Ortswechsel innerhalb Deutschlands erbringen muss – dort genügt die Angabe des neuen Wohnsitzes.
Auch beim Wahlrecht ist keine Gleichbehandlung der zuziehenden EU-Bürger mit italienischen Staatsbürgern gegeben. Nach dem Gemeinschaftsrecht der EU ist nur die Gleichbehandlung bei Kommunal- und Europawahlen gegeben. In Südtirol gilt darüber hinaus die Erteilung des Kommunalwahlrechtes an zuziehende EU-Bürger (auch italienische Staatsangehörige) erst nach vier Jahren der Ansässigkeit – eine nach europäischer Rechtsauffassung unzulässige Diskriminierung, die auf das Auto-nomiestatut Südtirols zurückgeht.
Nach Auskunft von Dr.Gabriele Morandell, Leiterin der allgemeinen Dienste in der Gemeinde Brixen der sowohl das Meldeamt als auch das Wahlamt untersteht, werden die Aufgaben der Gemeinde zur Erteilung der Ansässigkeit durch ständig sich ändernde Vorgaben durch das italienische Innenministerium,  die Region und den Südtiroler Gemeindeverband erschwert. Die Gesetzgebung scheint im ständigen Fluss und bereitet dadurch sowohl den Antragstellern als auch der bearbeitenden Gemeinde erhebliche Schwierigkeiten.
Italien in Europa, eine gigantische Bürokratie.

Andreas Gottlieb Hempel
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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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