Sonntag, 01.04.2007 | Studentenprojekte für den Bahnhof Brixen

Brixner 0407

Das Problem des Lärmschutzes berührt nicht nur die Anlieger an Bahn und Auto-bahn im Westen Brixens. Lärm und Abgase erfüllen das ganze Tal. Studenten der Hochschule für Technik in Stuttgart und der Universität Trient haben sich in diesem Wintersemester mit dem Schallschutz und der Zukunft des Bahnhofsgeländes be-schäftigt.

Am 22. März beurteilte eine Jury unter dem Vorsitz von Amtsdirektor Dr. Josef March die Projekte der Studenten im Adrian-EggerSaal der Stadt Brixen. Die weiteren Jurymitglieder waren Bürgermeister Albert Pürgstaller, Dr. Walter Huber von der Umweltagentur Bozen, Architekt Karl Kerschbaumer, Brixen und die Dekane der beiden Hochschulen, Prof. Helmut Hohnecker und Prof. Giorgio Cacciaguerra. Die Idee zu der Aufgabenstellung ging auf Prof. Andreas Gottlieb Hempel zurück, der auch die Stuttgarter Studenten während des Semesters betreute. Bürgermeister Pürgstaller und Prof. Hempel waren sich einig, dass es in der Frage des Schallschutzes hilfreich sein könnte, wenn eine Gruppe von Studenten einmal ganz unvoreingenommen und voller Fantasie Ideen dazu entwickeln würden. Die Verantwortlichen in der Stadt hätten dann konkretere Vorstellungen von dem Umfang und den Bedingungen dieser Aufgabe bevor ein Fachplaner damit beauftragt würde.

Die Aufgabe
Seit drei Jahren werden unter der Schirmherrschaft des Staatsministeriums von Baden-Württemberg von der Hochschule für Technik in Stuttgart Europaprojekte bearbeitet. Sie sollen gemeinsame Studien von Bauingenieuren und Architekten fördern. Unter dem Titel „Integrales Planen und Bauen im Alpenraum“ hat Prof. Hempel mit dem „Schallschutz und städtebauliche Entwicklung am Bahnhof Brixen“ nun bereits die dritte Aufgabe in Südtirol bearbeiten lassen. Die beiden vorhergehenden waren „Die Zukunft des Brenner“ und „ Die neue Kellerei Bozen“. Zur Einführung in die Aufgabenstellung kamen die Studenten jeweils zu einem dreitägigen Seminar Ende September nach Südtirol, besichtigten die Situation und hörten Vorträge von Südtiroler Fachleuten zu den Fragen von urbanistischen Konzepten, Verkehr, Geschichte, Bautechnik usw. Gleichzeitig damit lernten die Studenten Südtirol kennen. In diesem Fall bezog sich die Aufgabenstellung natürlich auf die künftigen Verkehrskonzepte im Eisacktal, auf die Stadt Brixen und deren künftiges Leitbild, das Bahnhofsgrundstück und den begleitenden Autobahnabschnitt. Verlangt wurden aussagekräftige Pläne und eine Power-Point-Präsentation vor der Jury, die aus den vorgelegten Projekten die besten Lösungsansätze auswählen sollte. Die Bearbeitungszeit war extrem kurz, schon nach zwei Monaten mussten die Projekte hochschulintern vorgestellt werden bevor die Präsentation für die Jury erarbeitet wurde.

Die Zusammenarbeit
Bereits beim ersten Europaprojekt kam durch Prof. Hempel eine Vereinbarung zur akademischen Zusammenarbeit zwischen der Hochschule für Technik in Stuttgart und der Universität Trient zustande um den Studentenaustausch und die Projektzu-sammenarbeit zu fördern. Trotz der räumlichen Entfernung und den unbestrittenen Sprachschwierigkeiten ergab sich eine Zusammenarbeit, die sich bewährt hat und künftig noch intensiviert werden soll. Architekten und Ingenieure können sich schließ-lich mit Plänen und Zeichnung auch ganz gut verständigen. Selbst den beiden Deka-nen gelang in der Jurysitzung die Übereinkunft obgleich keiner die Sprache des an-deren sprach. Hier haben die Südtiroler Kollegen mit ihrer Zweisprachigkeit einen nicht zu unterschätzenden Heimvorteil! Im zusammenwachsenden Europa kann die gemeinsame Arbeit an solchen interessanten Projekten der gegenseitigen Verständigung aber auch dem Lernen voneinander nur dienlich sein.

Die Ergebnisse
Tatsächlich erbrachten die unterschiedlichen Veranlagungen der italienischen und der deutschen Studenten verschiedenartige Ergebnisse. Das Schlagwort von der idealen Kombination italienischen Designs mit deutscher Technik bewahrheitete sich auf besondere Weise. Die italienischen Studenten entwarfen ihre Lösungen nach dem Prinzip des „urban design“. Ihre Projekte zeigen eine kreative Gestaltungskraft, die bis in eine geradezu perfekte Darstellung reichen. Die deutschen Studenten bearbeiteten ihre Projekte nach gründlichen technischen Recherchen vor allem im Hinblick auf Organisation und Funktion, die Gestaltung war eher schematisierte Bei-gabe. Die 15 italienischen Studenten entwarfen in kleinen Gruppen 5 völlig unterschiedliche Projekte und stellten diese auch getrennt der Jury vor. Die 18 deutschen Studenten dagegen analysierten gemeinsam die Aufgabe und deren Randbedingungen und entwarfen drei Projekte mit jeweils einer zusätzlichen städtebaulichen Systemvariante und stellten ihre Arbeiten auch gemeinsam unter der Leitung eines moderierenden Studenten vor. Also auch hier eine völlig unterschiedliche Herangehensweise, welche die Jury als außerordentlich bereichernd empfand. Die Jury sprach sich vor allem lobend über die Leistungen der Studenten aus, die sich nicht von der Qualität in Wettbewerbsverfahren unter professionellen Teilnehmern unterscheide.

Die Auszeichnungen
Unter solchen Bedingungen war es nicht leicht, die Preissumme für die besten Lösungen in Höhe von 1000.- Euro, welche der Staatsminister von Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt hatte, zu verteilen. Nach längerer Diskussion entschied sich die Jury zwei gleichrangige erste Preise à 300.- Euro und zwei ebenfalls gleichrangige zweite Preise à 200.- Euro zu verteilen. Die Preise gingen jeweils an eine italienische und eine deutsche Studentengruppe. Die italienischen Projekte wurden für ihre architektonisch-gestalterischen Lösungen ausgezeichnet, die deutschen für ihre organisatorisch-funktionalen Vorschläge. Beide ersten Preise hatten die Bahnlinie unter die Erde gelegt und das große freiwerdende Bahnhofsgelände einer neuen Nutzung zugeführt. Die Italiener als naturbezogene Freizeitlandschaft in der eine gut gestaltete Bibliothek den baulichen Mittelpunkt bildet, die Deutschen als locker-durchgrüntes Wohnquartier bei dem vor allem die Organisation des neuen Bahnhofes mit den erforderlichen Busverbindungen überzeugte. Die deutschen Studenten haben darüber hinaus noch sehr differenzierte Schallschutzmaßnahmen für die Autobahntrasse im Stadtbereich vorgeschlagen, die gleichzeitig der Sonnenenergiegewinnung dienen. Alle Arbeiten wurden anschließend für eine Woche im Adrian-Egger-Saal für die interessierte Öffentlichkeit ausgestellt. Sie bieten sicherlich genug Stoff zum Nachdenken über die nächsten Schritte zum Schallschutz im Raum Brixen und zur künftigen Nutzung des Bahnhofareals, der vor allem den politischen Entscheidungsträgern zugute kommen kann.

Zukünftige Projekte
Die Arbeit an den Europaprojekten in Südtirol soll nach den drei erfolgreich durchgeführten Projekten fortgesetzt werden. Prof. Hempel vereinbarte bereits mit Amtsdirektor March, dass das nächste Projekt im Wintersemester 2007/8 einem Verkehrsprojekt für den Straßen- und Brückenbau gelten soll. Dabei soll wieder eine reale Aufgabe aus diesem Bereich ausgewählt werden und besondere Aufmerksamkeit der landschaftlichen Einfügung und Gestaltung dieser technischen Bauwerke in die empfindliche Landschaft Südtirols geschenkt werden. Neben den Bauingenieuren sollen künftig vermehrt auch Architekten und Landschaftsarchitekten für eine bessere Einfügung der Straßenbauwerke in die Natur herangezogen werden. Es wird darum gehen, nicht nur die Planer sondern auch die Öffentlichkeit für dieses Problem zu sensibilisieren. Für die Studenten aus Trient und Stuttgart wird es eine weitere Gelegenheit sein Südtirol mit seinen Schönheiten und Problemen kennen zu lernen und von außen innovative Anregungen einzubringen. Ganz nebenbei: Zwei Studenten des vorhergegangenen Europaprojektes waren so von Land und Leuten angetan, dass sie sich ihre erste Arbeitsstätte in Bozen gesucht haben.

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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
Otto von Guggenberg Str. 46   I-39042 Brixen (BZ)   Italien
Tel Studio 0039-0472-836317   mobil 0039-349-7969334
privat 0039-0472-679076   e-mail info@agh.bz
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