Mittwoch, 04.07.2007 | Der „Weingartner“

Brixner Juli 2007

Am 28. Juni 2007 jährte sich zum 50. Male der Todestag von Dr. Josef Weingartner, Probst von Innsbruck, Kunsthistoriker, Denkmalpfleger und Verfasser des „Weingartner“ dem wichtigsten Werk über Südtirols Kunstschätze.

Bevor ich 1961 zum erstenmal nach Südtirol reiste, war mir als Architekturstudenten, der sich viel mit Kunst- und Baugeschichte beschäftigte, der „Weingartner“ – oder richtiger: „Die Kunstdenkmäler Südtirols“ von Josef Weingartner - damals in drei Bänden erhältlich, als das umfassenste Werk über die alte Kunst in Südtirol bereits ein Begriff und Lektüre im Zug von München nach Brixen.

Josef Weingartner, von meinem Münchner Kunstgeschichtsprofessor Dr. Dussler, einem Spezialist für die Kunst des 19. Jhts. und Stammgast im Brixner „Elephanten“, hochverehrt uns ignoranten Studenten warm ans Herz gelegt, galt auch damals noch – vier Jahre nach seinem Tode 1957 während eines Kuraufenthaltes in Meran – als die Instanz schlechthin im kulturellen Leben Tirols beidseits des Brenner.

Weingartner wurde 1885 in Dölsach, Osttirol, geboren und ging bei den Augustiner Chorherren ins Brixner Gymnasium. Aus dieser Zeit stammt seine besondere Bezie-hung zur alten Bischofsstadt, zu der er nie die Verbindung verlor. In seinen Le-benserinnerungen „Unterwegs“ beschreibt er mit einer gewissen Nostalgie den Brixner Brauch des Törggelens auf dem Kranebitt „in der schlichten Herbheit dieser Landschaft mit den Weinbergterrassen, den Edelkastanien, in der milden Nachmittagssonne mit dem Blick hinab ins freundliche Tal, auf die alte Stadt oder auf das malerische Kloster Neustift und dann den Heimweg, womöglich im Monden-scheine, wenn die neckischen Geister des Weines ihr Spiel treiben“.
Aus diesem Empfinden für die schönen Dinge des Lebens entstand wohl auch seine Passion für die Kunstdenkmäler Südtirols, die er wandernd inventarisierte und beschrieb. Aus heutiger Sicht erscheint es fast unglaublich, dass eine einzelne Person dies alleine durchführen konnte, noch dazu neben seinen beruflichen Aufgaben als Professor am Priesterseminar in Brixen, als Beamter am Denkmalamt und als Seelsorger, der systematische Pfarrbesuche und verschiedene soziale Maßnahmen als Probst in Innsbruck einführte.

Theologie hatte Weingartner ebenfalls in Brixen studiert und nach seiner Priesterweihe 1907 erwarb er in Wien 1910 das Doktorat der Theologie und 1911 jenes Philosophie mit Kunstgeschichte als Hauptfach, was zu seiner Berufung als Generalkonservator und Universitätsdozent in Wien führte. Die Zeit dort war von Heimweh an „sein“ Brixen geprägt und er schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „Auf meinem Schreibtisch stand eine Photographie, auf der ein kümmerlicher Reben-hang, eine Edelkastanie, ein gotischer Bildstock und ein altes Kirchlein zu sehen waren. Nie sonst in meinem Leben habe ich ein Bild so oft und mit so inniger Sehnsucht angesehen wie diesen stimmungsvollen Ausschnitt aus dem Eisacktal.“ 1921 wurde er neben seiner Tätigkeit als Theologieprofessor zum Probst der Stadt-pfarre St. Jakob in Innsbruck berufen und übte dieses Amt bis kurz vor seinem Tode aus.
Heute ist Weingartner vielen Südtiroler wohl kein Begriff mehr. Dennoch: Der Wein-gartner“ oder „Die Kunstdenkmäler Südtirols“ ist immer noch das wichtigste Werk über die Kunstschätze Südtirols und vermittelt in der überarbeiteten achten Auflage darüber hinaus auch dem zunächst fremden Besucher - wie mir vor über vier Jahr-zehnten - etwas vom Verständnis der Heimatliebe in diesem schönen Land zu des-sen tieferen Begreifen die lange Tradition der Kunst gehört von der man sich wünschte, dass sie auch von der heutigen und den kommenden Generationen in gleicher Weise fortgeführt werden könnte. Das Wissen im „Weingartner“ bietet dazu genügend Anleitung um auch den Geist unserer Zeit in Kunstwerke umzusetzen.

Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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