Mittwoch, 29.08.2007 | Sind stille Städte wirklich tote Städte?

Bereits vor zwei Jahren berichtete der „Brixner“ über die Bemühungen von Stadtrat Hel¬muth Kerer im Rahmen eines EU-Interreg-Projektes Südtiroler Städte zu abgestimmten Konzepten und einem gemeinsamen Auftreten im sogenannten Stadtmarketing zu bewe¬gen. Mit der Tagung „Attraktionspunkt Innenstadt“ traten die Städte Bozen, Meran und Bri¬xen erstmals zusammmen damit an die Öffentlichkeit – ein bemerkenswerter Auftakt zu weiteren Gemeinsamkeiten.

In der kleinen Region Südtirol muss in vielen Fällen das Denken in Talschaften überwun¬den werden um Doppelarbeit zu vermeiden und Synergien zu erreichen. Dies gilt bei aller Unterschiedlichkeit der Dörfer, Städte und Landschaften vor allem beim Auftreten nach Aussen, im Tourismus - aber auch für die Einheimischen. „Stadtmarketing“ heißt das heute auf Neudeutsch, wenn Städte und Regionen – Besucher, Arbeitskräfte, Gewerbe und Gastronomie anziehen wollen um eine zukunftsfähige Entwicklung zu gewährleisten.

Am 27. Juli 2007 fand im Forum Brixen eine Veranstaltung zum Marketing der Städte Bo¬zen, Meran und Brixen statt. Sie wurde unter der wissenschaftlichen Leitung der Europäi¬schen Akademie EURAC, Bozen zusammen mit dem Verband der Kaufleute und Dienst¬leister als Teil eines gemeinsamen Stadtmarketingprojektes vorbereitet. Vor allem sollte die Zusammenarbeit zwischen Handel, Gastronomie und den Städten gefördert werden, denn gerade von dieser hängt im besonderen der Wohlstand, das Stadtbild und die At¬traktion der Städte in einer Tourismusregion wie Südtirol entscheidend ab. Grundlagen des Stadtmarketings, erste Ergebnisse des Projektes und Erfahrungen aus den Nachbarregio¬nen sollten in Brixen vorgestellt werden. Die Organisation und Moderation des Tages hatte der Leiter des EURAC-Institutes für Regionalentwicklung und Standortmanagement, Prof.Dr. Harald Pechlaner übernommen.

Harald Pechlaner hatte sich viel vorgenommen:
insgesamt 27 Redner waren aufgefordert zum Thema „Attraktionspunkt Innenstadt“ mit dem etwas pompösen Untertitel „multioptionale Erlebniswelten im Wandel“ beizutragen. Um die Übersicht für die zahlreichen Zuhörer zu gewährleisten wurde der Ablauf in vier Kapitel unterteilt. Jeweils zwei Grundsatzreferate mit drei anschließenden kurzen Kom¬mentaren behandelten die drei Bereiche „Kernkompetenzen als Grundlage der Wettbe¬werbsfähigkeit von Innenstädten“, „Themenmanagement und Inszenierung für Innenstäd¬te“ und „Attraktionspunkt Innenstadt“. Auf den letzten Abschnitt „Vom Produkt zum Ange¬bot: besondere Herausforderungen für die Städte“ folgte den beiden Referaten eine Podi¬umsdiskussion mit Einbeziehung des Publikums.

Den Anfang bildeten drei kurze Eingangsreferate der drei Bürgermeister von Bozen, Me¬ran und Brixen, die auf Fragen zur Geschichte, dem Zustand und der Perspektive ihrer Städte Antworten gaben. Bürgermeister Albert Pürgstaller sah die Vorzüge seiner Stadt in den historischen, lebendigen und landschaftlichen Qualitäten und zeichnete die Per¬spektive einer mustergültig umweltfreundlichen Stadt. Luigi Spagnolli hob die Formen des interethnischen Zusammenlebens in Bozen mit der beeindruckenden Lage heraus und sah die Zukunft seiner Stadt als regionales Modell mitten in Europa. Günther Januth unter¬strich den den Charakter Merans als Kur- und Gartenstadt, die sich künftig durch die kultu¬rellen Einrichtungen verjüngen werde und weiter einen internationalen Anziehungspunkt bilden soll.

Dieter Steger, Direktor des Verbandes der Kaufleute und Dienstleister hob den Vorteil der eindeutigen und unterschiedlichen Charaktere der drei Städte hervor. Unverwechselbarkeit sei eine Marketingstärke, die möglichst noch stärker ausgeprägt werden solle um das brei¬te Angebot der Region Südtirol herauszustellen. Dennoch sei die Zeit der Einzelkämpfer vorbei, die Gemeinden und Verbände müssten künftig gemeinsame Konzepte für ein ganzheitliches Marketing entwerfen. Dies könne aber nur zusammmen mit den Bürgern auf demokratische Weise gelingen. Leitbilder und Strategien müssten zur Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt entwickelt werden um glaubwürdig und lebendig zu sein. Ins¬besondere müssten Entscheidungen zur leichten Erreichbarkeit der Innenstädte mit Park¬möglichkeiten getroffen werden.

Nach diesem Beginn der unmittelbar Beteiligten folgte ein Überblick über die demografi¬sche Entwicklung und dem Leben in der Stadt der Zukunft durch Dr. Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. Inzwischen ist weithin bekannt, dass die Be¬völkerungsentwicklung besorgniserregend ist, vor allem in der Überalterung unserer Ge¬sellschaft, in der das Durchschnittsalter innerhalb eines Jahrhunderts von 40  auf 76 Jahre bei Männern und von 42 auf 82 Jahre bei Frauen gestiegen ist. Die Altersschere, die vor einem Jahrzehnt noch gleichviel über 60jährige wie unter 20jährige aufwies hat sich auf 30:20 geöffnet und die Kinderzahl ist auf 1,36 Kinder/Frau gesunken. Die Folgen werden u.a. ein geringeres Wirtschaftswachstum und geringerer Konsum und damit weniger Inno¬vation, Wohlstand und Lebensqualität sein – einmal abgesehen von der Polarisierung der Gesellschaft in ältere „Sparer mit Geld“ und eine jugendliche „Erlebnisgeneration“, die über ihre Verhältnisse lebt und in der das untere Preissegment und die Spitzenprodukte boomen während die solide mittlere Preisklasse auf der Strecke bleibt. Das hat erhebliche Auswirkungen auf Dienstleistungen und Tourismus. Die Sonnenseite des Lebens wird in den Städten dabei vor allem in Fußgängerzonen mit vielen Einkaufsmöglichkeiten bei kurzen Wegen, Straßencafés und Unterhaltung gesehen.

Harald Pechlaner führte mit einem Grundsatzreferat in die folgenden vier Kapitel ein. Er sprach über den Weg von den Kernkompetenzen der Städte bis zum differenzierten Ange¬bot spezifischer Standortqualitäten. Im Rahmen des INTERREG IIIA-Programmes Öster¬reich-Italien sei das Projekt „Stadtmarketing und Lernende Region – Zukunftsperspektiven für die Städte Bozen, Meran und Brixen“ genehmigt worden um die Kooperation zwischen Handel, Gastronomie und touristischen Anbietern und der unterschiedlichen Positionierung der drei Städte im Verbund zu fördern und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Der Wettbewerb zwischen den Städten geht um Investitionen der Wirtschaft, die Infrastruktu¬ren, touristische Attraktionen, Besucher und nicht zuletzt um kreative und innovative Men¬schen, die als Fachkräfte angezogen werden sollen. Aus der Sicht der Besucher bilden Landschaft und Klima, Erreichbarkeit, Qualität des Angebotes, Attraktivität des Einzelhan¬dels und die besondere Atmosphäre die Anziehungskraft des Standortes. Pechlaner analy¬sierte dabei die Faktoren der Kernkompetenzen in den drei Städten. Bei Brixen liegen sie eindeutig bei Kirche, Bildung und Kongressen, während die größten Hemmnisse für die Kooperation in den unterschiedlichen Interessen, den unregelmäßigen Kontakten, dem großen Einfluss Weniger und in der Konkurrenzsituation der Städte gesehen werden – also eine eindeutige Notwendigkeit zur  Kooperation im Stadtmarketing.

„Welche Attraktionen braucht die Stadt“ fragte danach Prof.Dr. Mike Peters von der Uni Innsbruck, Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus. Vor allem sollten sich Eigen- und Fremdimage decken um ein dauerhaftes Bild der Stadt für Einhei¬mische und Gäste zu bieten. Die Kriterien für die Einheimischen, bei denen Abwechslung, Sauberkeit und Offenheit an oberster Stelle neben Grün, öffentlichem Verkehr, Ausbil¬dungsmöglichkeiten und Wohnungsangebot stünden seien die Basiskriterien auf denen die Attraktionen für die Besucher aufbauen. Die Kernkompetenzen müssen dabei für den Kunden wertvoll und möglichst einmalig oder schwer imitierbar sein. Das setze aber die Kenntnis der Marktentwicklung und der Identität voraus und erfordere hohe Professionali¬tät in der Verknüpfung von Tradition und Moderne.

Vor diesem Hintergrund erzählte der Geschäftsführer der Regensburger Stadtmarketing von der Erfolgen der Brixner Partnerstadt, wo in der Altstadt aus rückläufigen Konsumaus¬gaben, Leerständen, „Kippen“ der urbanen Vielfalt und schwieriger Ertragssituation des Einzelhandels der Trend in den letzten Jahren umgekehrt werden konnte. Dies gelang durch einen „Pakt für die Altstadt“ mit einem Netzwerk der Akteure von den Ämtern der Stadtverwaltung, dem Hotelier- und Gaststättenverband, lokalen Medien, Werbegemein¬schaften des Einzelhandels, der Stadtmarketing Regensburg u.v.a. unter einem „Kurator“ - das Ganze als Chefsache des Oberbürgermeister. Zahlreiche Maßnahmen, gemeinsam in ständigen Treffen entwickelt, haben das Profil der Altstadt geschärft und verbessert nach¬dem im Leitbild Regensburg die Altstadt als multifunktionaler urbaner Lebensraum für etwa 12.000 Menschen definiert wurde. Dazu wurden „Umgangsregeln“ der Beteiligten festge¬legt, die von größter Transparenz der Entscheidungen und partnerschaftlicher Gesprächs¬kultur bis zur gemeinsamen Entwicklung von Projekten reicht.

Ergänzt wurde die Schilderung dieser beispielgebenden Entwicklung durch den Kulturrefe¬renten Klemens Unger. Unter dem Titel „Kultur und Tourismus“ zeigte er anhand der at¬traktiven Veranstaltungen der letzten Jahre in der Regensburger Innenstadt, dass eine Altstadt kein großes Einkaufszentrum werden muss um Besucher anzuziehen. Die Re¬gensburger Altstadt ist durch ihre Bauten und Monumente, ihre immer noch vorhandenen gut gemischten städtischen Funktionen und durch ihr natürliches, historisch gewachsenes und lebendiges urbanes Flair jeder künstlich entworfenen Einkaufswelt mit Konsumzwang auf der grünen Wiese haushoch in ihrer Anziehungskraft überlegen. Dies setzt allerdings voraus, dass sie im Einvernehmen mit den Bewohnern, dem Handel, der Gastronomie und den kulturellen Einrichtungen klug „bespielt“ wird, wobei speziell in Regensburg – entspre¬chend der Partnerstadt Brixen – auch die Kirche eine besondere Rolle mitspielen muss. Dazu gehört der Aufbau von kulturtouristischen Buchungs- und Informationssystemen ebenso wie eine klare inhaltliche Setzung von Schwerpunkten, die den Charakter der je¬weiligen Stadt unterstreicht. In Erinnerung blieb ein Kernsatz seiner Ausführungen für das Marketing: „Erlebnisinszenierung ist die Kunst, auf den Bauch zu zielen und die Briefta¬sche zu treffen“ sowie die 4 E's der Erlebnisgesellschaft: Ereignis-Emotionen-Erkenntnis-Erfahrung.

Diese Referate wurden aus der Sicht von Erfahrungen in Meran von Heidi Siebenförcher, der Stadträtin für Wirtschaft und Frauenfragen von Helmuth Kerer für die Initiative Brixen und Hansi Felder, dem Abteilungsdirektor für Handwerk, Industrie und Handel kommen¬tiert. Helmuth Kerer betonte im Hinblick auf die Regensburger Erfahrungen die Besonder¬heit der Altstadt Brixens mit ihren vielfältigen städtischen Funktionen als Attraktion für Ein¬heimische und Gäste, die es jedoch noch besser aufeinander abzustimmen gälte. Hansi Felder riet vor allem dazu, die Öffnungszeiten der Läden im Hinblick auf die Einkaufszen¬tren aufeinander  abzustimmen und sah besonders die lange Mittagspause als einen schweren Marketingfehler gegenüber den Gästen an, die in dieser Zeit einen völlig ver¬schlafene Innenstadt vorfänden.

„Was wollen die Gäste?“ fragte dann Prof. Dr. Christian Laesser von der Universität St. Gallen und kam nach Statistiken und Analysen über den Markt der Städtereisenden und deren Motiven und der Erkenntnis, dass die Hauptnachfrage in den Alpen nach Natur und Kultur besteht zu dem Schluss, das es „den Städtetouristen“ nicht gäbe, sehr wohl aber zwei Gruppen, die „Sightseer“ - überwiegend die Älteren - welche sich für Museen, Kir¬chen und andere Sehenswürdigkeiten interessierten und meist nur einmal eine Destination besuchen sowie die „Relaxer“ - überwiegend die Jüngeren - die lieber im Café sitzen, Wellnessangebote nutzen und einkaufen wollen und leichter zu Stammgästen werden. Aus diesen Motivationsprofilen sollten sich die Städte unterschiedlich positionieren und die Gäste ansprechen.

Nach weiteren Kurzkommentaren von Dr. Peter Brunner, Stadtrat für Wirtschaft, Brixen, Dr. Thomas Rizzolli, Obmann für Bozen des Verbandes der Kaufleute und Dienstleister und Rainer Schölzhorn, Präsident der Kurverwaltung Meran mit großer Übereinstimmung zur notwendigen Koordinierung des gemeinsamen Marketings der drei Sädte Bozen, Me¬ran, Brixen bei grundsätzlicher Profilierung der Verschiedenheiten in einem so kleinen Ziel¬gebiet wie Südtirol trat Mag. Andreas Reiter, Zukunftsbüro Wien, mit der provokativen The¬se auf „Eine stille Stadt ist eine tote Stadt“. Seine Thesen halten den Kampf um Aufmerk¬samkeit, die Stadt-Marke, die Inszenierung der (Stadt-) Mitte, die Innenstadt als Bühne, die Inszenierung lokaler Kern-Werte, die Erlebnisdichte, den Konsumenten und die insze¬nierte Gemeinschaft für die Aufgaben der Zukunft. Dieser Kampf wird nach seiner Meinung mit Begriffen wie „Service-Design, Urban Branding, Convenience-Community-Flow, Moon¬light-Shopping, Digital-Lifestyle-Codes, Mood-Management“ u.a so geführt werden müs¬sen, dass auf „einer Achse des Guten die Festivalisierung der Stadt mit der Renaissance der innerstädtischen Kauflandschaft für die Konsumenten als Trüffelschweine der Exzel¬lenz bei großer Erlebnisdichte“ ebenso gelingt wie der „Wettbewerb der Werte mit Events zur Resozialisierung der Singels über Wasch-Bars, „Sexy Supermarkets“, Zeit-Märkte in denen der Mann ruhig gestellt wird“ während die Frau Geld ausgibt. Das alles im Rahmen eines „Image-Designs“ das von „Landmarks, Urban Story telling und Lifestyle-Inszenierun¬gen“ geprägt wird.

Das erforderliche Gegengewicht der Alltagsrealität im Stadtmarketing der Gegenwart bot Mag. Sabine Istenich, Stv. Leiterin des Stadtmarketing Lienz. Für sie ist Stadtmarketing keine werbliche Maßnahme für kurzfristige Mehrbesuche des Hauptplatzes sondern ein komplexes Konzept für ein Leitbild der Stadt und eine Chance zur ganzheitlichen Stadtent¬wicklung. Gleichzeitig begreift sie Stadtmarketing als Maßanzug für jede Stadt mit ihren Besonderheiten und individuellen Strukturen. Allgemeingültig können aber die Instrumente sein, die zu einem erfolgreichen Stadtmarketing führen und die Sabine Istenich am Bei¬spiel ihrer Stadt Lienz vorstellte. Ein Leitungsgremium mit einer bei der Stadt angesiedel¬ten Geschäftsstelle befasst sich mit Situationsanalyse, Zieldefinition, Strategieentwicklung, Maßnahmenplanung, Umsetzung und Kontrolle. Dabei wird Stadtmarketing als ein kooperativer Prozess im Netzwerk der Interessen aller Beteiligten verstanden und abge¬stimmt. Man scheut sich auch nicht, die Erfahrungen von Nachbarn ohne zu imitieren mit Innovation aufzunehmen.  Aus allen Elementen wie Public Private Partnership, Europäi¬sche Städtecharta, bürgerschaftlichem Engagement hat das Leitungsgremium mit der Lo¬kalpolitik, der Verwaltung, der Wirtschaft und der Bürgerschaft ein kooperatives Modell für die „Obere Altstadt Lienz“ entwickelt, das jetzt zum schönsten Einkaufszentrum der Region „ohne künstliches Dach“ gezählt wird. Aus Stagnation, Abzug,  Verdrängungswettbewerb und fehlendem Selbstverständnis wurde der Standort Innenstadt wieder gestärkt, die Ko¬operation professionalisiert und die Frequenzen erhöht. Von gemeinsamen Öffnungszeiten und Belieferung der Betriebe über Stellplatzmanagement bis zum Gesamterscheinungs¬bild der Altstadt wurde der Entwicklungsprozess erfolgreich und zukunftsfähig gesteuert.

Das „leuchtende Beispiel in der Nachbarschaft“ wurde von Dr. Thomas Aichner, Ge¬schäftsführer der MGM, Meran, von Hans Astner, dem Obmann in Brixen des Verbandes für Kaufleute und Dienstleister und Manfred Schweigkofler, Intendant am Theater Bozen kurz kommentiert. Übereinstimmend waren alle der Meinung, dass Innenstadt mehr ist als Konsum sondern die Verflechtung vieler Faktoren wie Wohnen, Dienstleistungen, Kultur, deren ausgewogene Mischung zusammen mit dem charakteristischen und historischen Erscheinungsbild der jeweiligen Stadtmitte die unverwechselbare Attraktion ausmacht.

Den Abschluss der Vorträge bildeten die Beiträge von Ing. Francesco Quartuccio, von Si¬mon-Kucher&Partner, Mailand zur „Preis- und Produktpositionierung als Wettbewerbsfak¬tor bei Dienstleistungen“ und von Silvia Conte, Uni Venedig, zu „TouristCards in Italien“. Beide Themen bilden sicherlich beim Stadtmarketing wichtige Instrumente zur Preisgestal¬tung und zu Vergünstigungen, welche die Entscheidung für die Wahl eines touristischen Zieles erleichtern können. In Rahmen dieser Tagung waren sie vielleicht schon etwas zu speziell gewählt und sollten in einem späteren Schritt des Stadtmarketings der drei Städte Bozen, Meran und Brixen auf ihre Anwendung im besonderen Fall untersucht werden.

Die anschließende Podiumsdiskussion über die Herausforderungen an die drei Städte im Rahmen des Stadtmarketings litt zu später Stunde nach einem konzentrierten Tag bereits unter abbröckelnder Beteiligung. Man hätte sie sich dennoch länger ausführlicher ge¬wünscht, denn sie war unter der Moderation von Harald Pechlaner mit Elmar Pichler-Rolle, Vizebürgermeister Bozen, Peter Haas, City-Manager Ingolstadt, Urban Perkmann, Han¬delskammer Bozen und Helmuth Kerer gut besetzt. Nach einleitenden Statements der Po¬diumsteilnehmer kam noch eine Diskussion mit den Teilnehmern zustande. Dabei wurde angeregt, dass ein Stadtmarketing nicht nur die Innenstädte sondern das gesamte Stadt¬gefüge umfassen müsse und dass neben Bozen, Meran und Brixen die Städte Bruneck und Sterzing in das INTERREG-Konzept eingefügt werden sollten. Den Hoteliers als Part¬ner des Stadtmarketings wurde empfohlen ihre Gastbetreuungskonzepte wie Wellness, ¾ Pension, Sportanlagen usw. mit den Angeboten der Städte abzustimmen, was zu Synergi¬en mit den vorhandenen öffentlichen Freizeitstrukturen  führen würde und andererseits den Gästen mehr Bewegungsfreiheit außerhalb des Hotelservice bieten könnte – gerade ein Überangebot an Versorgung in den größeren Hotelanlagen nimmt den kleineren ga¬stronomischen Betrieben (Gaststätten, Buschenschänken, Hütten usw.) die Gäste, die bis¬weilen bis hoch ins Gebirge von ihren Hotels aus versorgt werden. Und schließlich sei Südtirol außerhalb der künstlichen Strukturen mit Natur, Geschichte und Menschen bereits Wellness genug, so dass es mancher modischer Angebote nicht bedürfe.

Andreas Gottlieb Hempel

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Kommentar

Zunächst: Das INTERREG-Projekt zum gemeinsamen Stadtmarketing ist nicht nur eine hervorragende sondern auch eine dringend notwendige Initiative um die Südtiroler Städte im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb um Gäste, Investitionen, Infra¬strukturen und vor allem um die besten Köpfe für die Innovationen der Zukunft. Man kann nur hoffen, dass der einmal eingeschlagene Weg zu den erforderlichen Kooperationen führt und interne Konkurrenz beseitigt. Dazu benötigt man jedoch in jeder der beteiligten Städte auch eine entsprechende administrative Infrastruktur, denn ein ganzheitliches Stadtmarketing lässt sich nicht so mal nebenbei erledigen. Diese Verwaltungsstruktur, die am besten Chefsache der Bürgermeister sein sollte, muss sich von all den aufgeblähten Begriffen („Mood-Management, Urban Branding“ usw.) aus dem Anglo-Rotwelsch fernhal¬ten sondern sich unter einem „Kurator“ als Leiter des Lenkungsgremiums an die Arbeit machen die folgende Bereiche umfassen sollte:

- Zustandsanalyse (bestehende positive und negative Faktoren, Kernkompetenzen u.a.)
- Zielfelder (Professionalisierung der Zusammenarbeit zur Standortstärkung u.a.)
- Politischer Auftrag (Leitbild, Langzeitperspekiven, Kooperation Öffentlich-Privat u.a.)
- Themenfelder (Gemeinsame Öffnungszeiten / Belieferung, Stadtbild, Vernetzung u.a)
- Methodik aussen (Bewusstseinsbildung, Arbeitsgruppen, Beratung m. Fachleuten u.a.)
- Methodik innen (Konsens bilden, Kooperationsverträge, Kontinuierliche Betreuung u.a.)
- Kontrolle (Prozessdokumentation und -steuerung, Öffentlichkeitsberichte u.a.)

Alles das bedeutet gut organisierte intensive Arbeit, die alle Beteiligten zusammenführen soll und die nicht nur mit Schlagworten von Werbefuzzis zu bewältigen ist.

Dabei ist zu beachten, dass eine historische Innenstadt vielfältige Funktionen und Werte hat und behalten sollte – nicht nur die eines Einkaufszentrums! - welche die besondere At¬traktion darstellen. Erst dieser Vorzug ermöglicht vielfältige Erlebnisse vom Handel über die Gastronomie zur Kultur. Markt- und Kulturfunktionen müssen dabei in Einklang ge¬bracht werden denn städtischer Lebensraum ohne Kultur verödet. Und: das Ganze, das Besondere, die Atmosphäre einer Stadt ist mehr als die Summe ihrer Teile. Da haben wir in Südtirol ja wirklich allerhand zu bieten und sollten darauf achten, dass die Attraktionen der Vielfalt unserer Kulturlandschaften, Baudenkmäler, Stadtraumqualität usw. nicht nur vermarktet sondern verbessert statt verbaut werden. Unter dem Gesichtspunkt unserer be¬reits vorhandenen teilweise einmaligen Besonderheiten ist die Frage, ob Südtirol und sei¬ne Städte in zwanghaften Aktionismus mit tausenderlei aufgesetzten Events geraten soll oder ob eine Verlangsamung des Erlebnis- und Spassbetriebes nicht auch den Vorteil der Beschaulichkeit und Sinnhaftigkeit, des Ausrastens und Nachempfindens bieten kann. In¬sofern sei die Frage gestattet ob eine stille Stadt (oder Statt ) wirklich eine tote Stadt sein muss.

Andreas Gottlieb Hempel

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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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