Dolomiten Baukultur 01/2008
Auch der Alpenraum ist der anonymen Vervorstädterung ausgesetzt, von dem im nebenstehenden Bericht die Rede ist. Die Arge Alp hat unter der Projektleitung von Robert Dellagiacoma und Thomas Ebner von der Abteilung Natur und Landschaft des Umweltassessorats der Provinz Südtirol kürzlich den Band „Alpine Siedlungsmodelle“ herausgegeben in dem Kaltern als Beispiel vorgestellt wird und wie man es besser machen kann.
Die anonyme Zersiedelung muss nicht sein, wenn Politik, Planung und Wirtschaft sich für ihren Ort ein Leitbild geben und durch visionäres Denken und Handeln aus den Möglichkeiten eines Ortes im städtebaulichen Zusammenhang neue Qualitäten entwickeln. Dass dies in Kaltern erfolgreich geschehen ist wird in dieser Publikation zusammen neben anderen positiven Beispielen im Alpenraum gezeigt. Dass in einem touristischen Ort der Weinbau als Kulturträger eingesetzt werden kann belegt die inzwischen international beachtete bauliche und landschaftsräumliche Entwicklung Kalterns. Die Depression durch den Qualitätsverfall des Kalterer Weins, die teilweise wenig reizvollen Neubauten der 1970 und 1980er Jahre mit entsprechendem Imageverlust hat zu einem Umdenken geführt. Nicht nur dem Wein wuchsen neue Qualitäten zu – es wurden auch die räumlichen Qualitäten der Kulturlandschaft neu entdeckt, in den Landschaftsplan eingebracht und entsprechend gehandelt. Daraus entwickelte sich ein traditionsbewusster Umgang mit den kulturell-räumlichen Gegebenheiten und eine moderne Fortentwicklung der lokalen Baukultur. Alles das hat die Voraussetzungen für eine neue örtliche Identität geschaffen in der sowohl die Weinproduktion als auch neues Bauen anerkannte Merkzeichen von Qualität geworden sind.
Welche Initiativen und Strategien wurden dafür entwickelt?
Das von der Gemeinde erstellte Wirtschaftsleitbild ergab, dass das Potential Kalterns als Weindorf zu wenig bekannt gemacht worden war. Deshalb schlossen sich Weinmacher, Touristiker, Bauern, und Vertreter des öffentlichen Lebens zusammen, entwarfen ein ganzheitliches Leitbild in dem sich Kaltern über seine Weinkultur und seine Kulturlandschaft definiert und auch die Baukultur mit einbezieht. Sie schufen die geschützte Dachmarke „wein.kaltern“ als Genossenschaft mit über 50 Mitgliedern. Das Faszinierende war, dass sich nun alle an einen Tisch setzten und mit dem Instrument „wein.kaltern“ die Interessen und Projekte für die zukunftsfähige Fortentwicklung Kalterns als Weinkulturlandschaft umsetzten und damit Kaltern ein neues unverwechselbares Gesicht verschafften, das nichts mit der allseits zu beobachtenden Anonymität städtebaulicher Entwicklungen zu tun hat.
Das Buch „Alpine Siedlungsmodelle“ ist kostenlos in der Landesabteilung Natur und Landschaft in Bozen, Rittner Str. 4 erhältlich und unter www.argealp.org einzusehen.
Andreas Gottlieb Hempel
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