Dienstag, 10.06.2008 | Spritztour in die Marken

Um es vorweg zu nehmen: es war durch den fast ununterbrochenen Regen aus tiefhängenden Wolken im wahrsten Sinne des Wortes eine Spritztour! Das konnte die sechs Sommelier(kandidaten) unter Leitung des wie immer quirligen und gut gelaunten Paolo Tezzele aber nicht aus der Ruhe bringen. Alle waren froh, am berüchtigten Wochenende von Mariä Empfängnis dem Christkindlmarkt-Trubel in Südtirol zu entkommen und jeweils antizyklisch zu den Verkehrsströmen auf der anderen Seite der Autobahn zum Ziel zu kommen. Aber auch in den Marken waren an diesen Feiertagen die empfohlenen Trattorien von Slowfood überfüllt, so dass die hungrige Gruppe direkt von der Autobahn in das nächstbeste Restaurant in dem hübschen Küstenstädtchen Fano einfielen. Hinter den mittelalterlichen Stadtmauern wurden - wie so oft in Italien – die Gäste von der Qualtät eines kleinen Familienbetriebes überrascht und verkosteten bei köstlichen Fischvorspeisen den frischen Bianchello di Metauro, der aus der Biancame-Traube, einer Spielart des Trebbiano Abruzzese, im gesamten Hinterland von Pesaro und Urbino angebaut wird. Zum Abschluss offerierte Paolo noch eine Flasche des feinen, sehr charaktervollen Rotweins Lacrima di Morro d’Alba, der aus der Rebe Lacrima Nera gekeltert wird. Danach ging es unter der Führung von .....und ...., zweier marchesischen Sommeliers, zur Verkostung von Wein und Öl über schmale Sträßchen ins Hügelland von Cartoceto, wo in der Fraktion Ripalta das Weingut von Roberto Lucarelli besucht wurde. Dort wird mit Blick über das Tal des Metauro in etwa 250 m Meereshöhe auf einem Terroir von Tuff und Lehm neben den Bi-ancame- und Sangiovesereben die Olivensorte Raggiola angebaut. Es wurden zwei Sorten Bianchello di Metauro verkostet: „La Ripe“ und „Rocho“, der eine ohne Mazeration im Stahltank ausgebaut, der andere ebenso aber mit einem Teil im Barrique und Ausreifung bis zur Abfüllung „sur lies“. Beide überzeugten in lebhaften Strohgelb mit grünlichen Reflexen durch frische Fruchtaromen, Mineralität und Ausgeglichenheit sowie zartes Brotaroma durch den Ausbau auf der Hefe und sind ausgezeichnete Begleiter der adriatischen Fischküche. Den Abschluss bildete der Rotwein „La Ripe“ aus 90% Sangiovesetrauben und Baccarossa, ein rubinroter Wein, intensiv in der Nase mit roten Fruchtnoten und Anklängen an Muskatnuss, im Mund warm und mit schön in die Frische eingebundenen Tanninen – perfekt zu „tutto pasto“ der Landesküche in den Marken. Das angebotene ungefilterte Olivenöl aus Raggiola, Rosciola, Leccino, Frantoio und Moraiolo erwies sich als fruchtig, leicht grasig, mit pikantem, zart bitterem Mandelgeschmack und feiner Süße – erstklassig!
Der Abend wurde in fröhlicher Gesellschaft, exquisiter Küche und ausgewählten Weinen zusammen mit dem Bürgermeister von Fermignano und dem Präsidenten der Sommeliervereinigung Marken, ....., im Restaurant „Serra Alta“ verbracht. Das „Serra Alta“ ist auch Hotel mit angeschlossenen Ferienapartments in prachtvoller Lage hoch über Fermignano und herrlichem Blick hinüber nach Urbino und zum verschneiten Monte Nerone. Ein einmaliger Ort - auch zum Ferien machen! Alle genossen die ruhige wenn auch weinschwere Nacht.
Der nächste Morgen galt dem Trüffelzentrum Italiens, Acqualagna. Im auch Sonntags geöffneten Laden Acqualagna Tartufi deckten sich alle mit Trüffelprodukten ein, als ob diese bald nicht mehr zu haben seien. Danach dann Besuch des Weingutes Santa Barbara des Stefano Antonucci. Der Ort Bárbara liegt 220 m hoch auf einem Bergrücken zwischen den Flüssen Misa und Nevola, etwa 25 km von Senigállia an der Adria entfernt. Vom Gambero Rosso 2007 für seinen Rosso Piceno „Il Maschio da Monte 200” mit drei roten und für den Verdicchio  dei Castelli di Jesi “Stefano Antonucci Riserva 2004” mit zwei roten Gläsern ausgezeichnet waren die Gäste gespannt, diese Weine nun selber zu verkosten. Die schönen Keller mit den französischen Barriquefässern sind in den gemauerten Gewölben des ehemaligen St. Barbara Klosters untergebracht. Dort befindet sich auch der äußerst geschmackvoll designte Verkostungsraum.
Zunächst wurde der Verdicchio Castelli di Jesi DOC „Le Vaglie 2006“ gereicht, ein absolut trockener und mineralischer Weißwein, acht Monate gereift, der neben fein-würzigem Aromaspektrum vor allem das typische Terroir präsentierte und lange mit seinem Pfirsich und Zitrusgeschmack in Erinnerung blieb. Man wünschte sich Aus-tern und Krustentiere dazu. Eine Steigerung bot der durch intensive Finesse über-zeugende Verdicchio Castelli di Jesi DOC „Stefano Antonucci“, goldgelb leuchtend und von lang anhaltender saftig-mineralischer Dauerhaftigkeit im Abgang geprägt. Ideal zu der dazu angebotenen weich-milden Salami und dem kräftigen Cacciotto di Urbino. Ein Wein für alle feinen Speisen außer Wild.
Danach folgten die Roten. Zunächst der trockene Rotwein DOC „Il Maschio del Monte 2004“ 100% Montepulciano und 18 Monate im Barrique gereift. Die 14% Volumen Alkohol waren perfekt mit den Tanninen verbunden und man sah sich schon mit diesem rubinrot glänzenden Wein vor einem saftigen Wildgericht sitzen. Aber auch Würze, Frucht und Mineralität trugen zusammen mit einem betörenden Veilchengeruch zur perfekten Harmonie dieses trinkreifen und immer noch entwicklungsfähigen Spitzenweines bei.
Zum Schluss wurde der „Star“ des Hauses eingeschenkt. Das Ergebnis von Experi-menten mit den Traubensorten Merlot, Cabernet Sauvignon und Syrah ergab einen nach internationalen Maßstäben perfekten Wein von intensiv-dunklem Rubinrot der alle Komponenten von der Nase bis zum Abgang tadellos verband – aber eben mit einer „internationalen“ Beliebigkeit. Alle waren sich einig, dass trotz der überragen-den Qualität der „Pathos“ genannten Cuvée die Stärke und die Zukunft der Spitzen-weine in den Marken auf ihrem Charakter aus typischen Traubensorten und dem Terroir liegen sollten. Auf diesem Feld könnten sich die Marken eine unvergleichliche Spitzenposition erarbeiten und – mit aller Hochachtung! – sie haben sie schon erarbeitet. Nur hat sich das noch nicht überall herumgesprochen. Gottseidank – denn so stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis ganz ausgezeichnet.
Auf der einer Unterwassertour gleichenden Rückfahrt wurde noch lange von der hohen Qualität der verkosteten Weine geschwärmt und Paolo Tezzele für die Organisation dieser prall ausgefüllten Kurzreise gedankt.

Andreas Gottlieb Hempel

Die Adressen:

Ristorante „La Vecchia Fano“
Via Vecchia 8
61032 Fano (PU)
Tel. 0721 803493

Azienda Agricola Roberto Lucarelli
Via Piana 20
Localitá Ripalta
Cartoceto (PU)
Tel. 0721 893019, www.laripe.com

Ristorante Albergho „Serra Alta“
Via Serra Alta 28
61033 Fermignano (PU)
Tel. 0722 332525, www.serraalta.it

Aqualagna Tartufi s.r.l.
Via C. Colombo 2°
61041 Acqualagna (PU)
Tel. 0721 797031, www.acqualagnatartufi.it

Azienda Santa Barbara
Borgo Mazzin 35
60010 Barbara (AN)
Tel. 071 9674249, www.vinisantabarbara.it

 



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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