Dienstag, 20.01.2009 | Dolomiten-Journal Bauen 2/2008

Südtirols Gäste kommen wohl nicht nur wegen ausgebauter Straßen, langer Tunnels, Driving-Ranges und unpersönlich gemanagter Fünf-Sterne-Hotels, sondern wegen einer einmaligen Landschaft, charakteristischer Gasthöfe und liebenswerter persönlicher Gastgeber. Dennoch fordern manche Touristiker weitere  20 (!) Golfplätze, noch mehr große Fünf-Sterne-Hotels und einen Flugplatz, mindestens so groß wie der in Innsbruck. Ob das der Gastlichkeit in Südtirol gut tun wird?

Wer in Innsbruck die über das Stadtzentrum startenden und landenden Flugzeuge beobachtet, dem verschlägt es vor Lärm die Sprache. Auch Bozen wäre für größere Jets ein gefährlicher Anflugplatz. Ganz abgesehen von den Emissionen, mit denen Südtirols Süden zugelärmt würde. Der alternative Vorschlag: ein wohlorganisierter Shuttlebetrieb mit modernsten S-Bahn-Zügen von Bozen nach Innsbruck und Verona, Fahrtzeit max. eine Stunde – solange braucht man auch von den Zentren europäischer Großstädte wie Paris, London, Rom, Berlin oder München zu deren weit draußen gelegenen Flughäfen. Das ist wesentlich billiger und schneller zu realisieren – dazu ohne Proteste der Bevölkerung!

Und die Golfplätze? Die gibt es schon am Petersberg, am Karersee, in Lana und neuerdings bei Seis. Wer bei der Anlage dieses Golfplatzes die Erdbewegungen miterlebt hat, der fragt sich allerdings ob die Berglandschaft Südtirols überhaupt geeignet ist für diesen Sport, für den die Landschaft so deformiert werden muss. Südtirol ist gerade wegen der noch weitgehend erhaltenen Naturlandschaft und Kulturlandschaft mit unendlichen Wanderwegen Wellness genug als dass man wie beim Golf ständig im Kreis herum laufen müsste.

Dann das Konzept der Fünf-Sterne-Hotels, die nach Auffassung der Hotelkettenmanager mindestens 250 bis 300 Gästebetten haben müssten um zu florieren. Wenn schon die ein großer Flugplatz und etwa 20 Golfplätze den landschaftlichen Maßstab Südtirols sprengen würden dann kann man das von diesen großen Hotelanlagen, die natürlich möglichst an besonders schönen Plätzen in bis dahin unberührter Landschaft gebaut werden sollen, erst recht erwarten. Die schon gebauten und angeblich so wirtschaftlich zu führenden großen Hotels mit über 150 Betten fallen an ihren Standorten durch ihre schiere Größe bereits völlig aus dem Rahmen der traditionellen Hotelbauten im kleinteiligen Südtirol – einmal ganz abgesehen von der meist kitschigen Architektur mit Türmchen, Rundbögen, Lüftlmalerei und anderem übertriebenem Dekor. Aber nicht nur das: durch die Gästemassen, die mit Sonderkonditionen für diese Hotels angekarrt werden, wird das erforderliche Preisniveau der bereits bestehenden Betriebe so empfindlich getroffen, dass manche Hoteliers von Häusern mit gehobenem Angebot zum Selbstkostenpreis anbieten müssen – die Führung des HGV weiß ein Lied von dieser sehr bedenklichen Entwicklung für manch traditionelles und gut geführtes Hotel zu singen.

Dieser Kommentar zielt deshalb auf die Weiterentwicklung der bestehenden kleinteiligen Hotelstruktur, die für die Gäste Südtirols bisher so attraktiv war und auf eine Obergrenze der baulichen Entwicklung. 27 Mio. Nächtigungen im Jahr in über 220 000 Betten - d.h. auf etwas mehr als 2 Südtiroler entfällt ein Gästebett - das müsste doch eigentlich reichen! Südtirol war immer ein sehr individuelles Reiseland und ist nicht für Massenbetrieb geeignet. Die touristische Entwicklung – auch im Hinblick auf die Bauten – sollte deshalb nicht weiter in Richtung Quantität gehen sondern vielmehr auf Qualität setzen. Viele kreative Hoteliers haben den Vorteil ihrer kleinen, persönlich geführten und oft traditionellen Betriebe erkannt. Sie beauftragen bei Umbauten und qualitativen Erweiterungen gute und stilsichere Architekten. Dabei sind hochwertige Architekturen entstanden, die bereits den Charakter einer modernen Südtiroler Baukultur tragen und damit eine eigene Anziehungskraft haben.

Diese kreativen Hoteliers verlassen aber auch die angeblich so bewährten gastronomischen Gewohnheiten und offerieren eine schon verloren geglaubte Kultur des Gastgebens: da wird statt der öden Frühstücksbuffets wieder morgens am Tisch serviert und Halbpension à la carte angeboten. Oder der Hausherr geht mit seinen Gästen wandern und Skifahren, veranstaltet Weinkurse, kocht mit Ihnen oder führt sie an die Kultur Südtirols heran. Es muss nicht das immer gleiche Wellnessprogramm im Keller sein, die Freikarte in das benachbarte Schwimmbad tut es auch und senkt die Kosten für Gast und Wirt. Der Erfolg gibt Ihnen recht: Stammgäste gewinnt man nur so in einem Haus mit gutem Design, frei von dem Allerweltsjodelstil, den die Gäste angeblich wollen. Welche Gäste denn? Solche, die auch wissen wo sie sind, das kennerisch genießen und so auch dem Gastgeber Freude an seiner Arbeit bereiten?

Unsere Bilder zeigen einige gebaute Beispiele dieser anderen Hotelklasse, die sich in die Tradition, die Landschaft und die Dörfer Südtirols bestens einfügen.

Andreas Gottlieb Hempel
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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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