Naturlandschaft, Kulturlandschaft, Stadtlandschaft, Parklandschaft und Badelandschaft vereinen sich in Meran zu einem geradezu paradiesisch anmutenden Gesamtkunstwerk, das man gut als Kurlandschaft bezeichnen kann. Ein geglücktes Ensemble, das nicht zuletzt auf gut überlegter Garten- und Landschaftsplanung beruht.
Meran, von 1317 bis 1420 Hauptstadt Tirols, dann über 400 Jahre „Kuhstadtl“, begann 1836 mit seiner zweiten Karriere als weltberühmte Kurstadt der adligen Gesellschaft und der gehobenen Bourgeoisie der k.k. Monarchie und Europas. Diese Pracht endete zwar mit dem Ersten Weltkrieg – geblieben ist aber neben dem milden Klima und der schönen Umgebung die einmalige Verbindung von mittelalterlichem Stadtkern, romantischen Ansitzen, Kuranlagen und noblen Villenvierteln mit Parks und Gärten, umgeben von der Kulturlandschaft der Weinterrassen und überhöht durch die eindrucksvolle Naturlandschaft der Berge. Dennoch: Meran musste sich sehr anstrengen um den Anschluss an vergangene Kurstadtzeiten wieder herzustellen. Mit dem Bau des Thermenanlagen und vor allem mit den sie umgebenden Freiräumen ist dies beispielhaft gelungen.
Da ist zunächst der großzügige Platz zwischen Hotel und Therme – eine außerordentlich geglückte Ergänzung der Kurpromenaden, geradezu ein städtebaulicher Brennpunkt von dem aus man innehaltend und sich nach allen Seiten umwendend weithin die Naturlandschaft der Berge, die Kulturlandschaft der Rebhänge und die Stadtsilhouette erleben kann. Führt die Kurpromenade den Spaziergänger linear am Fluss entlang so lädt der zentrale Platz zum Verweilen, zum Schauen und zum Bleiben ein.
Da liegt dann aber auch der neue Kurpark vor dem Betrachter, den man vom Thermenplatz wie von einer Galerie aus perspektivisch von oben erleben kann. In ihn ist die Badelandschaft der Thermen eingebettet und zwar so harmonisch, dass man die Abgrenzung der Badeanlagen vom öffentlichen Park kaum bemerkt – so vermittelnd geht die Bepflanzung von einem Bereich in den anderen über. Raffiniert verschneidet sich die weiche Form des Seerosenteiches mit der linearen Architektur der Schwimmbecken. Insgesamt eine Kurlandschaft auch für das Auge!
Die Garten- und Landschaftsarchitekten des Thermenparks, Cornelia Müller und Jan Wehberg und ihr Berliner Büro Lützow 7, die zusammen mit den Berliner Architekten Julia Zillich und Rüdiger Baumann den Architektenwettbewerb für die 2005 fertiggestellte Thermenanlage gewannen, sind der Meinung, dass Landschaftsgärten, Parks, Stadtgrün und Plätze im öffentlichen Raum eine Formensprache benötigen, die auch neue Symbole zulässt. Dabei bilden Naturschönheit und gestaltender Eingriff keine Gegensätze. Keine Gesellschaft kommt ohne Symbole aus. Wenn die alten Symbole nicht mehr gelten – wie hier jene des Fin de Siècle der einst so noblen Kurstadt Meran - dann müssten neue gefunden werden.
Diese Philosophie ist am Beispiel der neuen Meraner Kurlandschaft eindrucksvoll umgesetzt worden: Mittelalterlicher Stadtraum und überkommende Kuranlagen, historische Nostalgie und modernes Lebensgefühl finden sich mit dieser Gartenbaukunst in das großartige Panorama der umgebenden Naturlandschaft harmonisch eingebunden und geben der Kurstadt Meran eine neue symbolische Kraft, nämlich die von zeitgenössischer Baukultur, die durchaus magische Kraft für den dafür Empfindsamen entwickeln kann.
Das Beispiel der neuen Kurlandschaft von Meran ist ein Glücksfall guter Planung, ein bemerkenswertes Beispiel und ein Grund mehr für die Einbeziehung der Landschaftsarchitektur in alle Planungen für unsere empfindliche Kulturlandschaft. Es geht dabei um die Rückbesinnung auf schon verloren geglaubte Inhalte einer Planungsdisziplin, nämlich die Überhöhung landschaftlicher Gegebenheiten und deren Versöhnung mit störenden baulichen Eingriffen. Auch in Südtirol sollten Landschafts- und Grünordnungspläne zu allen Bauvorhaben vorgelegt werden um damit dafür zu sorgen, dass sich diese wie selbstverständlich in die Landschaft, das Dorfbild oder den Stadtraum einfügen.
Andreas Gottlieb Hempel
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