Für die Mitmenschen im Dienst
Am vergangenen Dienstag legte die Leitung der Bezirksgemeinschaft Eisacktal den Jahresbericht der Sozialdienste vor. Mit fast 13,5 Millionen Euro verfügen die Sozialdienste über den größten Anteil im Budget der Bezirksgemeinschaft. Damit wird vielen sozialschwächeren Mitmenschen die Solidarität unserer Wohlstandsgesellschaft geboten.
Sozialpolitik hat eine große Bedeutung. Sie soll in der demokratischen Gesellschaft soziale Ausgrenzungen vermeiden helfen und dazu beitragen, dass auch benachteiligte Menschen Zugang zur allgemeinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung finden. Solidarität mit den schwächern ist nicht nur allgemeine menschliche Pflicht sondern auch ein Grundwert des Gemeinwesens. Dazu gehört allerdings auch die eigenverantwortliche Beteiligung der Betroffenen, zu der die Sozialpolitik heute mehr denn je Hilfe und Anleitung bieten muss.
Zur Sozialpolitik der nächsten Jahre gehören:
• Die Sicherung der Pflege • Die Stärkung der Familie • Die Bekämpfung materieller Not • Die Verhinderung sozialer Ausgrenzung • Die effiziente Verwendung der vorhandenen Mittel • Die Vernetzung der Organisationen
Zu diesen generellen Aufgabenfeldern stellte der Direktor der Sozialdienste, Dr. Josef Pichler, im einzelnen die im Jahr 2007 mit seinen 215 hauptamtlichen MitarbeiterInnen geleistete Arbeit vor. Die erbrachten Leistungen sind gegenüber 2006 deutlich gestiegen: 14% mehr im Pflegebereich, 20% mehr im Bereich sozialpädagogischem Kinderschutz, 7% der Bevölkerung im Gebiet der Eisacktaler Bezirksgemeinschaft hatten im Jahr 2007 Kontakt mit den Sozialdiensten. 61 freiwillige HelferInnen unterstützten die Arbeit der professionellen SozialarbeiterInnen mit insgesamt 6.600 Stunden. Insgesamt wurden über 3.000 Personen betreut.
Die Übernachtungsstätte für obdachlose Männer bot fast 50 Männern aus 11 Nationen im Durchschnittsalter von 41 Jahren im Schnitt 30 Tage Aufenthalt. Das bestehende Gebäude wird in diesem Jahr abgebrochen. Ein Neubau soll 2011 zur Verfügung stehen. Eine Übergangsbleibe ist jedoch noch nicht gefunden worden.
Die Beratungsstelle für Frauen in Gewaltsituationen mit Frauenhaus ist wöchentlich 25 Stunden besetzt und wurde von 76 Frauen in Anspruch genommen. Das Frauenhaus ist derzeit mit 42 Personen (Frauen und Kinder) besetzt – 2007 gab es 15 Neuaufnahmen, davon waren 8 unmittelbare Notfälle.
Die sozialpädagogische Betreuung von Kindern, Jugendlichen, Familien und Einzelpersonen ist mit +20% deutlich angewachsen. In den Orten Brixen, Mühlbach und Klausen stieg die Zahl der beschützten Kinder von 419 (2006) auf 506 (2007) – ein deutlicher Hinweis auf die Verschlechterung der Familiensituationen. Familienentlastende Maßnahmen wurden 7 Familien in der Seeburg geboten.
Wichtig ist im Bereich der Jugend vor allem die Prävention, die über Bildung und Integration im Programm „Männer begegnen Buben“ angeboten wir. Vor allem gegen aggressives Verhalten in den Schulen hat sich die Beratung durch Jugendarbeiter bewährt. Sie wird von der Männerberatung Innsbruck begleitet.
Neu ist das Versuchsprojekt HIPPY (Home Instruction for Parents of Preschool Youngsters), das Kindern aus sozial benachteiligten Familien (Südtirolern und Immigranten) Hilfen – vor allem in der sprachlichen Ausbildung – als Vorbereitung für die Einschulung bietet. Es wird mit dem Beistand der HIPPY-Organisation Deutschland erstmals für Südtirol entwickelt.
Für Kinder im Grundschulalter ist auch eine Sommerschule neu im Programm, die jeweils drei Wochen im Juli und August in Schabs und Waidbruck durchgeführt wird.
An die sozialpädagogische Erwachsenenhilfe bei der Wohn- und Arbeitsplatzbegleitung haben sich 2007 zweihundert Personen gewandt – das bedeutet in Brixen und Umgebung eine Steigerung um 26%. Im ländlichen Bereich sind die Anfragen dagegen leicht zurückgegangen. Mit diesen Personen wurden Förderansätze für eine stabilisierende Veränderung erarbeitet.
Die finanzielle Sozialhilfe ist die letzte Stufe des sozialen Sicherungssystems bei existentieller Bedürftigkeit von Mitmenschen. Die damit verbundenen Ausgaben sind 2007 von rund 1.46 auf 1.62 Millionen Euro um 11.19% gestiegen, Die Ausgaben für das soziale Mindesteinkommen stiegen dabei von 474 000 auf 497 000 Euro um fast 5%, die Beträge für Miet- und Wohnnebenkosten von 633 000 auf 680 000 Euro um 7,3%. Hier muss ganz deutlich gemacht werden, dass entgegen manch anderslautender populistischer Stimmungsmache die finanzielle Unterstützung von Ausländern an den Gesamtkosten im Jahresbudget lediglich 3,7% beträgt – nur ein Drittel davon für nicht EU-Bürger! Anrecht auf die genannten finanziellen Unterstützungen haben Nicht-EU Bürger erst nach fünf Jahren Aufenthalt in Südtirol. Nach dreimonatigem Aufenthalt haben Personen aus diesem Personenkreis nur auf eine Unterstützung von zwei Monaten im Jahr für – das für Menschen, die oft unter erheblichen Sorgen leiden.
Einen großen Umfang nehmen bei den Sozialdiensten die Pflegeleistungen für Zuhause, in den Tageszentren und im Tagespflegeheim ein. Für 453 Menschen (+14,4%) wurden häusliche Pflegeleistungen mit 21.141 Pflegestunden (+8,15%) erbracht. Rund 30 000 Essen wurden in 2007 zugestellt – ein Mehr gegenüber dem Vorjahr von 62%. Ebenfalls gestiegen ist der Wäscheservice, die Fußpflege und die Badehilfsleistungen. Im Tagespflegeheim wurden 23 Personen (+65%) in 15.588 Stunden (+43%) betreut – die am stärksten vertretene Altersgruppe waren nicht mehr die 80 sondern die 85-Jährigen. Hier macht sich ganz deutlich die Überalterung unserer Gesellschaft bemerkbar.
Das jeder Mensch – auch der Behinderte – seine besonderen Fähigkeiten hat beweist sich in der Arbeit der Einrichtungen und Werkstätten, der Seeburg, des Kastell und des Bartgaishofes in denen 2007 132 Menschen eine würdige Arbeit fanden. Der Verkauf von den dort hergestellten Produkten im Werkstattladen des Lachmüllerhauses in Brixen sowie die mit Unternehmen verrechneten Dienstleistungen beliefen sich auf 260 000 Euro, davon wurden nach Abzug der Prämien an die Mitarbeiter etwa 60.000 Euro wieder in die Produktion reinvestiert. Leider ist die Zerlegung von gebrauchten Elektrogeräten zur Gewinnung von Material gesetzlich nicht mehr zulässig – deshalb muss für 12 Mitarbeiter eine neue Beschäftigung gesucht werden. Die Küche der Seeburg hat 2007 über 63.700 Essen hergestellt, davon 18.000 „Essen auf Rädern“. Für 20 Eisacktaler Unternehmen wurden in diesen Werkstätten Aufträge ausgeführt.
In der Tagesförderstätte der Seeburg wurden 11 Personen nach der Fördermethode „Affolter“ zusammen mit der Sozialgenossenschaft „Efeu“ betreut und gefördert und 54 Menschen fanden in den Wohnheimen und Wohngemeinschaften der drei Einrichtungen ein betreutes Unterkommen. Das Durchschnittsalter dieser Personen liegt etwa bei 42 Jahren. Ziel der Wohneinrichtungen ist es, diesen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und sie auf ein selbstständiges Wohnen vorzubereiten.
Die Gesamtausgaben der Sozialdienste erfuhren mit der Summe von 13,38 Millionen eine Steigerung von 3,9 % gegenüber dem Jahr 2006 (12,87 Millionen) – inflationsbereinigt ist das eine Steigerung von 1.6%. Diese Kosten teilen sich wie folgt auf: 42,39% für die Strukturen Seeburg, Kastell und Bartgaishof, 15,92% für die Tagesätze, 12,43% für die finanzielle Sozialhilfe, 12,34% für die Hauspflege, 10,44% für die Sozialarbeit in den Sprengeln, 6,08% für die Zentralverwaltung, 2,23% für das Frauenhaus und 0,39% für die Übernachtungsstätte. Dabei konnten die Kosten für die Zentralverwaltung durch Reorganisation um 3,14%, für das Frauenhaus um 1,73% und für die Strukturen um 0,85% gesenkt werden – die übrigen Bereiche erfuhren Steigerungen bis zu 17,52% (Sozialarbeit in den Sprengeln).
Die Einnahmen betrugen 2007 13,45 Millionen von denen 11,40 Millionen aus dem Landessozialfonds stammen. Der Rest stammt aus Tagessatzeinnahmen, von anderen Körperschaften, aus der Spesenbeteiligung Privater, aus dem Produktverkauf, aus Rückflüssen anderer Organisationen und von den Gemeinden in der Bezirksgemeinschaft.
Die Vernetzung der Eisacktaler Bezirksgemeinschaft mit anderen Organisationen hat weitere Fortschritte gemacht: zusammengearbeitet wird mit anderen sozialen Diensten, dem Kinderdorf, dem Haus der Solidarität, der Villa Winter, der Familienberatungsstelle Kolbe, der Caritas und der Südtiroler Verbraucherzentrale.
Es muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Mittel für die Sozialarbeit künftig geringer werden. Wenn der Umfang der Leistungen beibehalten werden oder sogar noch gesteigert werden soll, dann können Einsparungen nur im Verwaltungsbereich vorgenommen werden. Dies ist in der Zentralverwaltung bereits geschehen und soll in den Verwaltungsbereichen der Sozialdienste auch noch durchgeführt werden.
Wem nützt die Sozialarbeit? Wenn es gelingt soziale Defizite zu kompensieren, Hilfsbedürftigkeit zu verringern, neue Ressourcen zu erschließen, Selbständigkeit, Selbsthilfe und Lebensfähigkeit zu erlangen, dann ist nicht nur den Betroffenen sondern der gesamten Gesellschaft geholfen.
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