Mittwoch, 04.02.2009 | Iksi, kaksi, kolme...

Dolomiten Baukultur März 2009

Iksi, kaksi, kolme...

Zu deutsch: eins, zwei, drei... Die finnische Sprache hat nicht ihresgleichen. Vielleicht noch das Ungarische.. Eins, zwei, drei Mal hat der finnische Architekturfotograf Jussi Tiainen die Architekturentwicklung in seinem Lande dokumentiert: 1996 als Aufbruch der jungen finnischen Moderne, die sich plötzlich aus dem Schatten des Übervaters Alvar Aalto löste und mit ihrer Eigenständigkeit die europäische Architekturszene ü-berraschte. Der schöne Fotoband dazu, herausgegeben vom Finnischen Institut für Bauinformation, erlebte bis 1999 vier Auflagen. Gefolgt wurde er 1998 von der Mo-nografie über das Museum für Moderne Kunst in Helsinki und dann kam als Drittes das Buch Finnische Architektur 1994-1999. heraus.
Als Vorsitzender des Deutschen Architektur Zentrum, Berlin, besorgte ich 1996 eine Ausstellung mit Fotos von Jussi Tiainen als einen Höhepunkt in der Diskussion um die neue Architektur der deutschen Hauptstadt – die Botschaft der nordischen Län-der wurde gerade gebaut. Ich lernte Jussi Tiainen, Jahrgang 1954, als einen jener wortkargen Finnen kennen, deren genaue Beobachtungsgabe und Einfühlungsver-mögen leicht unterschätzt werden. Das Ziel seiner Beobachtung von Architektur ist es, diese dreidimensionale Welt zweidimensional festzuhalten und dennoch die Räumlichkeit zu bewahren als ein Stück begrenzter Wirklichkeit. Dabei kann Archi-tekturfotografie die Sprache der Architektur als eigene Kunstform wiederholen. Jussi Tiainen erweist sich in seinen Fotografien als ein begnadeter Meister des Lichts aus einem Land, wo die endlos erscheinenden dunklen Wintermonate in ein Vierteljahr des Sommer münden in dem die gleißende Sonne nicht untergeht.
Über seine drei Fotobände zur finnischen Architektur erschließen sich auch die Auf-nahmen neuer Bauten in Finnland, die alle nach 2000 entstanden sind und nun auf vierzehn Paneelen in den Räumen von KunstMeran bis zum 13. April zu sehen sind. Waren die Bauten der finnischen Architekten in den Jahren zwischen 1994 und 1999 von einer Auflösung der Volumina im Licht, von filigranen Konstruktionen für eine grandiose Transparenz und der Verwendung von Stahl und Glas geprägt, so ist in den letzten Jahren wieder ein Rückkehr zu einfacheren, geschlosseneren Formen in der Tradition der skandinavischen Moderne mit Verwendung von Holz als bestim-mendem Baustoff zu verzeichnen. Geblieben ist der feine Sinn für raffiniertes Licht und perfekte Ausführung.
In der Pressemitteilung von KunstMeran wird darauf hingewiesen, dass der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt der Planungen stehen – was denn sonst? Wenn aber gemeint ist, dass die finnischen Architekten nicht auf den formalen Fuß-abdruck aus sind, der auf Kosten der Funktion die gestalterische Originalität des Meisters als wiedererkennbares Markenzeichen herausarbeitet, dann stimmt dieser etwas platte Hinweis. Die zeitgenössische finnische Architektur ist kein Jahrmarkt architektonischer Eitelkeiten, jede angestrengte Bemühung um „Einmaligkeit“ ist ihr ziemlich fremd. Davon kann gelernt werden.
Was sagt uns diese Architektur im fernen Finnland, abgelegen am Rand Europas, uns, dem kleinen Durchreiseland mittendrin? Finnland war bis 1917 eine unterdrück-te Minderheit im russischen Zarenreich. Die finnische Identität hat sich damals vor allem in der Architektur manifestiert, viele Bauten im karelischen Stil, noch unter rus-sischer Herrschaft, zeugen davon. Dadurch ist Architektur ein wichtiger Teil der finni-schen Kultur geworden. Baukultur spielt heute in Finnland eine so überragende Rol-le, dass 1998 Architekturpolitik im Programm der finnischen Regierungen fest veran-kert wurde. Wer den „Mann auf der Straße“ nach den wichtigsten Persönlichkeiten Finnlands befragt erhält bestimmt den Namen des Architekten Alvar Aalto genannt. Nachahmenswert wäre für uns in Südtirol das Institut für Bauinformation, das für alle Bauwilligen eine wichtige aufklärerische und kulturelle Rolle spielt. An den meisten Bauten Finnlands ist der Name des Architekten vermerkt – hier wäre das wohl bis-weilen Rufmord.

Andreas Gottlieb Hempel

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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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