Mittwoch, 04.02.2009 | Meinung

MEINUNG

Planerisches Sumpfgebiet?

Tatsache ist, dass in der ältesten Stadt Tirols, Brixen, die Entwicklung des Tourismus verschlafen worden ist. Seit 15 Jahren stagnieren die Übernachtungen, was ja nicht so tragisch wäre, wenn die Qualität und die Funktion der Angebote sich gewandelt hätten. Aber immer noch gibt es z.B. kein Hotel, dass die Teilnehmer eines größeren Kongresses gesamt aufnehmen könnte. Der Lift auf die Plose wurde vom Stadtrand nach St. Andrä verlegt – wohl mit ein Grund für die mangelnde Benutzerzahl. Trotz Leitbilddiskussion hat Brixen immer noch nicht das eindeutige Profil etwa als Innovations- Musik- Kunst- oder Kongressstadt, das besondere Besucher anziehen könnte. Es fehlt ein touristisches Gesamtkonzept, das auch den Hausberg Plose mit seinen Potenzialen einbezieht. Welche Stadt kann dass schon bieten: Eine historische Altstadt im Tal und einen der schönsten Dolomitenblicke vom Berg – ja, wenn es eben die Liftverbindung gäbe, die man so kurzsichtig vor Jahren schon demontiert hat. Christkindlmarkt, Altstadt und schöne Umgebung allein genügen heute eben nicht mehr für eine „Destination“. Vor allem, wenn man gerade dabei ist, einen Teil der schönen Kulturlandschaft des Mittelgebirges mit einem 250 Bettenhotel zuzupflastern. Dieses Hotel soll ohne jede planerischen und marketingmäßigen Voruntersuchungen und ohne ein touristisches Gesamtkonzept abseits der benachbarten Dörfer Klerant, Mellaun und St. Andrä und etwa fünf Kilometer vom „notleidenden“ Ploselift entfernt von den Brüdern Sanoner, Hoteliers aus dem Grödner Tal, gebaut werden. Klaus Sanoner sagte selbst, dass er zunächst keine Bauabsichten auf der Kojawiese gehabt habe aber ihm sei die Stelle von der Gemeinde geradezu aufgedrängt worden – nun stehe er allerdings voll dahinter und das Hotel würde gebaut. Inzwischen sind in Brixen 2.200 Unterschriften vom Verein heimatbrixen gegen das Hotel in der freien und unverbauten Kulturlandschaft gesammelt worden, die am Monatsende dem Landesrat für Raumordnung übergeben werden sollen. Der Verein ist nämlich der Meinung, dass dieser große Bau ohne ein raumordnerisches Konzept entsteht. In der Gemeinde Brixen herrscht nun Hektik und man versucht Versäumtes nachzuholen. Bis zum 15. Februar soll nun das Innsbrucker Projektbegleitungsbüro Haimayer ein Konzept zu den Förderfaktoren und Leitlinien für Investitionen im Brixner Tourismus vorlegen. Sicherlich sollen dabei auch Argumente für die Verbauung der bisher unberührten Kojawiesen gefunden werden. „Es sei ein Märchen“, sagt Bürgermeister Pürgstaller, „dass die Kojawiesen unberührte Landschaft seien. Es handle sich um ein Sumpfgebiet, das entwässert wurde und somit dadurch bereits zerstört.“ Ähnlich merkwürdiger Argumentation bedient sich der Tourismusverein Brixen: Arbeitsplätze würden geschaffen. Sicherlich. Nur – alle wissen, dass die meisten dieser Arbeitsplätze im Hotelgewerbe nicht mehr mit Südtirolern besetzt werden können. Kurzum: Normalerweise werden solch großen Baumaßnahmen mit der notwendigen Infrastruktur erst dann in Angriff genommen, wenn alle erforderlichen Planungsschritte von einem Gesamtkonzept über die Bedarfsermittlung, die Raumordnung und den Landschaftsschutz bis zur Masterplanung ordnungsgemäß erfolgt sind. In Brixen ist es umgekehrt, erst das Hotel und dann „schaugn mer mal und dann segn mer schon“ – ein Planungssumpf, leider noch nicht entwässert.

Prof. Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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