Donnerstag, 12.02.2009 | Neues von der mittleren Generation

Neues von der mittleren Generation

Die Exponenten der jungen Architektengeneration werden gerne von der Publizität entdeckt, vorausgesetzt, ihre Erstlingswerke sind auffällig genug. Oft ist es aber so, dass Architekten erst im Alter richtig gut werden wenn ihre Jugendwerke verglüht sind und ihren modischen Glanz verloren haben. Dazwischen liegen dann Jahre intensiver und ernsthafter Arbeit, die oft unbeachtet bleiben. Die mittleren Jahre des Reifens. Es ist ein Problem des Architekturjournalismus, dass mehr die Neuigkeit als die Kontinuität zählt, dass man über ein Bauwerk eigentlich erst dann berichten sollte, wenn es in Würde mindestens ein Jahrzehnt gealtert ist und auch dann noch mit Gebrauchsspuren und etwas Patina überzeugt. Der Springer Verlag, Wien/New York, hat sich nun unter dem Titel „generazione di mezzo“ unter dem Kurator Paolo di Vocialta der mittleren Generation der 50-jährigen angenommen, die im Nordosten Italiens durch die Kohärenz und Qualität ihrer Arbeit von sich reden machen aber noch nicht durch Architekturkritik, Fachpublikationen oder die Verleihung von Architekturpreisen in den Olymp der weltweit tätigen Jetsetter erhoben wurden. Es sind Architekten, die in den letzten zwei Jahrzehnten mit ihren Projekten Kontinuität und Dauerhaftigkeit bewiesen und ihren Einfluss innerhalb der oberitalienischen Kulturregion unter Beweis gestellt haben ohne bereits in aller Munde zu sein. Gefördert werden die Publikationen durch die Baufirma Figli di Massimo Paladin, die Architekturqualität gerade in einer Region fördern möchte, die durch bauliche Eingriffe der letzten Jahre besonders geprägt – um nicht zu sagen: geschädigt – wurde.
„modern alternatives“ nennt sich der dreisprachig (E/I/D) gefasste Band über das Meraner Architektenduo Höller & Klotzner. Zwei Architekten, welche mit ihren herausragenden Bauten der letzten Jahre die alpine Architektur Südtirols gewissermaßen gegen den Strich bürsten. Südtirol, aufgrund der Ablehnung des italienischen razionalismo als Besatzerarchitektur der zwanziger und dreißiger Jahre erst spät in der architektonischen Moderne erwacht, versank jahrzehntelang mit Ausnahme weniger fast isoliert dastehender progressiver Architekten in einem bräunlichen Brei fader Tiroler Dekorationssurrogate. Das hat sich mit der Generation der heute fünfzigjährigen Architekten grundlegend geändert. Werner Tscholl, Walter Angonese, Walter Dietl und andere sind neben Höller & Klotzner die Protagonisten dieser erstaunlichen Entwicklung. H&K nehmen dabei eine Sonderstellung ein. Ihre Arbeiten haben ohne den dazugehörigen Bekanntheitsgrad internationales Format erreicht und sind doch gleichzeitig die besten Beispiele dafür, wie eine moderne Architektur des Alpenraumes aussehen kann. Sie sind kein Rückgriff in den Regionalismus und leben dennoch von den inneren Bezügen und sorgfältig analysierten Strukturen der Region, die völlig neuartig interpretiert werden. So sind sie keine Bauten der Globalisierung und nicht irgendwo anders verfügbar sondern verschaffen der Baukultur Südtirols eine künftige Tradition jenseits der bekannten dekorativen Oberflächen.
Im Buch werden sieben gebaute Projekte mit professionellen, z.T. ganzseitigen Fotos zusammen mit den Plänen und Baubeschreibungen vorgestellt. Zwei kluge Essays gehen sensibel ausdeutend auf die Arbeit von H&K ein. Ein gut gemachtes Buch im richtigen Format, ansprechender Grafik auf angenehmen Papier aber ohne den häufig anzutreffenden Hochglanzanspruch, der solche Projekte nur einsargen würde.

Andreas Gottlieb Hempel

(3.527 Zeichen mit Zwischenräumen)

 

modern alternatives
Höller& Klotzner architecture
Alessandro Rocca
Springerverlag Wien / New York
ISBN 978-3-211-79193-6
www.springer.at
30.- €



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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