Freitag, 20.03.2009 | Leitbild für Tourismus

Wo ist das Leitbild für ein Tourismuskonzept?

Die Vorstellung eines sogenannten Tourismuskonzepts für die Plose hat wieder einmal gezeigt, dass es für den Tourismus in und um Brixen immer noch keine echten Visionen gibt – trotz Leitbild, Masterplan, Gutachter und gesteuerter Bürgerbeteiligung. Statt Kleckern Klotzen – das ist noch lange kein Konzept sondern stellt sich bei näherer Betrachtung als das Uralt-Prinzip „Quantität statt Qualität“ heraus, vertreten von Managern für den „klassischen“ Tourismus wie Peter Haymaier, Innsbruck – Konzepte, die sich mit dem Ziel des steten Wachstums in den Zeiten allgemeiner Rezession und weitgehender Verbauung der Umwelt als überholt erweisen.

Aus welchem Grund sollten denn weitere Gäste über 1.000 Betten mehr in und um Brixen „füllen“ (um diesen ungastlichen Ausdruck der Hotelfuzzis zu gebrauchen)? Woher und warum sollten sie kommen? Womit will Brixen diese Anziehungskraft erreichen? Was soll künftig das Einmalige am Brixner Tourismus werden? Was kann die Stadt zu einem außergewöhnlichen Reiseziel machen? Welche Konzepte, welche Visionen sind bisher dafür entwickelt worden? Ist ein besonderes Profil jenseits der schon bekannten Qualitäten erkennbar? Eindeutig nein!

Mehr Betten allein sind noch lange kein Programm. Ganz im Gegenteil: wie die Luxusinsel auf den Kojawiesen noch zeigen wird, werden bisher unberührte landschaftliche Schönheiten – das Kapital der Brixner Umgebung! – zersiedelt. Und 2.000 Fahrzeuge täglich mehr im Mittelgebirge um St. Andrä sind sicher auch kein Anreiz für Erholungssuchende, die Ruhe und reine Luft suchen und dann Lärm und Abgase vorfinden. Wo ist da die Qualität, die Brixen als Reiseziel noch anziehender machen soll?

· Brixen hat mit die niedrigsten Niederschläge und die meisten Sonnentage in Südtirol – beste Vorbedingungen, nicht nur halbherzig die Solarstadt des Landes zu werden und damit alternative, kreative und sanfte Technologie in Produktion und Tourismus anzuziehen.

· Brixen hat hervorragende Verkehrsverbindungen und einen ausgebauten gut funktionierenden öffentlichen Verkehr, ein gutes Wegenetz für Wanderer und Fahrräder – ein Grund mehr, sich der Organisation „Alpine Pearls“ anzuschließen, der bereits Villnöss und das Eggental beigetreten sind. „AlpinePearls“ bietet für die Gäste, welche mit dem Zug anreisen eine sanfte Mobilität mit MobilCard, Bussen, Fahrrädern und Bike-u. Wander-Taxis an, sie werden darüber hinaus von den Hotels am Bahnhof abgeholt. Eine echte Alternative für die wachsende Schar umweltbewusster Gäste.

· Brixen hat eine Altstadt und Umgebung, die voller Kunstschätze und Sehenswürdigkeiten ist. Die Bezirksgemeinschaft Eisacktal ist gerade dabei entsprechende Themenwege auszubauen. Gut ausgebildete Wanderführer könnten die kulturell interessierten Gäste kundig begleiten, da viele Menschen heute nichts mehr mit sich selbst anzufangen wissen und sogar Anleitung zum Vergnügen und Genuss brauchen.

· Brixen liegt in einer Gegend wo Kochen eine Kunst ist und Wein von höchster Qualität angebaut wird. Also weg von den „internationalen Spezialitäten“ und hin zum besonderen des Eisacktales. Seminare, Kurse, Fernsehsendungen rund um das Kulinarische gäbe der Stadt den Wohlgeruch eines einzigartigen Genießerziels in allen Gourmet-Führern weit über die Grenzen hinaus.

· Brixen bietet in der Altstadt zwar Einkaufsmöglichkeiten – aber was gibt es denn in Brixen noch Besonderes zu kaufen, das nicht überall zwischen Oslo und Sizilien erhältlich ist? Dazu noch unmögliche Ladenöffnungszeiten, die für Touristen einfach nicht verständlich sind. Hier gilt es ein alternatives Angebot in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu entwickeln damit Brixen wieder ein von weither gesuchtes Einkaufsziel wird – wegen des Warenangebotes rund um die Uhr und nicht wegen der Parkplätze!

· Brixen hat das Zeug zu einer spezialisierten Kongress-Stadt, die sich vom üblichen Messe- und Kongressbetrieb abhebt. Dazu braucht es noch ein Stadthotel, das auch die Teilnehmer eines größeren Kongresses aufnehmen kann ohne dass es (wie etwa bei Falkensteiners üblich) die eingeführten kleineren Familienhotels mit Dumping-Preisen unterbietet. Hier könnten andere Hotelstrukturen eingeführt werden – etwa der „Brixner-Service“ (z.B. mit am Tisch servierten Frühstück und anderen längst verlorenen Bequemlichkeiten) mit denen die Stadt sich ein alternatives gastronomisches Image verschaffen könnte.

· Brixen könnte die Stadt der Musen (auch der Museen) sein – nicht nur der Kirchenmusik sondern auch anderer Künste: exklusives Kino, Literatur, Lesungen, Stadtschreiber und Verlagswesen, moderne Malerei, Workshops für bildende Künstler u.a. - das in einer Hand koordiniert durch eine/n Kulturreferentin/en sowie vernetzt mit internationalen Institutionen, die den Austausch von Ideen, Personen und Ausstellungen mit geringem finanziellen aber dafür mehr ideellem Aufwand ermöglichen.

· Brixen hat die Plose als einmalige Verbindung zwischen historischer Altstadt und Hochgebirge. Nur hat man nichts daraus gemacht. Ganz im Gegenteil: die Seilbahn St. Andrä-Milland wurde kurzsichtig und ersatzlos abgebaut. Ähnlich wie in Bozen auf den Ritten muss in Brixen dringend eine moderne Umlaufbahn nach St. Andrä mit Anschluss an die vorhandene Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel gebaut werden. Die Finanzierung muss dabei – wie beim Straßenbau – überwiegend vom Land erbracht werden. Die kurvenreiche Straße ist heute bereits überlastet, der Verkehr eine Zumutung für Luft, Milland und Gäste. Er wird mit 2.000 Fahrten täglich mehr völlig unerträglich werden. Die Plose sollte vom Domplatz mit dieser Bahn in zwanzig Minuten erreichbar sein – eine einmalige Attraktion! Welche Stadt hätte derartiges anzubieten? Einmal ganz abgesehen von den Einwohnern am Berg, die nicht mehr täglich in der Stadt einen Parkplatz suchen müssten.

Usw, usw, usw – zunächst braucht es Ideen, Perspektiven und Visionen statt Betten! Also erst die Inhalte, dann der Rahmen (mit Betten allein füllt man keine Bahn!)

Und natürlich keine Politiker, deren einzig kreativer Beitrag zum Tourismus aus gewinnträchtigen Grundstücksspekulationen in die eigene Tasche über Schwiegertöchter, Strohmänner und dergleichen besteht. Welche Nachrichten aus diesem Schmierentheater werden uns demnächst noch erreichen?


 



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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