Modernisierung mit Passivhaus-Standard
Im wenig energiebewussten Italien ist Südtirol die erfreuliche Ausnahme. Das dort entwickelte System „Klimahaus“ ist bereits Exportschlager geworden. Beim Umbau des ehemaligen Bozner Postgebäudes in ein Landesamt sind diese Erfahrungen bei-spielhaft als erstes Passivhaus Italiens umgesetzt worden.
Die Grundlagen
Die Provinz Südtirol nutzt ihre weitgehende Autonomie auch auf dem Gebiet der E-nergie. Der 1918 von Italien annektierte Landesteil wurde während der Faschisten-zeit mit seiner Wasserkraft Energielieferant für die Industrialisierung Norditaliens. Erst mit der Autonomie erhielt die Provinz die Selbstbestimmung über ihre Energie-ressourcen zurück und hat 2008 auch die E-Werke übernommen. Seit vielen Jahren hat die Landesregierung Südtirols das Ziel, unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden. Neben der Wasserenergie setzt das waldreiche Land auf die Verwen-dung von Holz für die Energieerzeugung - in über der Hälfte der 116 Gemeinden gibt es bereits Fernheizsysteme mit Hackschnitzel- bzw. Pelletsbetrieb. Aber auch andere Alternativen werden eingesetzt. Die Solarenergie bewährt sich im sonnigen Südtirol, Geothermie und Windenergie befinden sich im Versuchsstadium. Im Jahr 2025 sollen zumindest alle Bauten mit regenerativen Energien versorgt sein. Der wichtigste Schritt bei dieser Umstellung ist die Energieeinsparung. So entstand die Idee des „Klimahauses“ mit vier Einsparungskategorien: Klimahaus C (70 kWh/a/qm = 7 l Erd-öl/a/qm) – darunter gibt es keine Baugenehmigung mehr! - Klimahaus B (50/5), Kli-mahaus A (30/3) und das Passivhaus (15 kWh/1,5 l), das auch als „Klimahaus Gold“ bezeichnet wird. Für die Bauten der öffentlichen Hand war bisher das Klimahaus C Standard. Beim Umbau der Ex-Post in Bozen wollte der neue Nutzer, der Landesrat für Raumordnung, Umwelt und Energie, jedoch mit gutem Beispiel vorangehen und beauftragte ein Passivhaus.
Bauplatz mit Vergangenheit
Das Projekt befindet sich im baugeschichtlich wichtigen Bahnhofsviertel Bozens. Der Bahnhof wurde unter Leitung unter Luigi von Negrelli, dem Ingenieur des Suezka-nals, als Endpunkt der Bahnlinie Verona/Bozen bis 1859 von der k.k. Südbahn er-baut. 1867 kam die Brennerbahn dazu. Der Bozner Bahnhof wurde damit zum Tor Südtirols zwischen Nord und Süd und leitete den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt vor dem Ersten Weltkrieg ein. Der Münchner Stadtplaner Sebastian Altmann entwickelte den Plan einer sternförmigen Anbindung des Bahnhofes mit vier Stra-ßenachsen an den Stadtkern. Nach der Annektion Südtirols durch Italien baute der römische Architekt Angiolo Mazzoni im Auftrag Mussolinis den Bahnhof in ein Tri-umphtor zur Stadt mit axialer Verbindung zu dem am gleichen Tag 1928 eingeweih-ten Siegestor um – eine emotionsbeladene architektonische Provokation für die Boz-ner. Dennoch, der Bahnhof Mazzonis gehört mit dem zeichenhaften Turm und dem niedrigen Verbindungsbau zum Empfangsgebäude, der den grandiosen Blick zum Rosengarten freigibt, zu den besten Bahnhofsarchitekturen jener Zeit neben den Bahnhofsbauten von Helsinki (Eliel Saarinen) und Stuttgart (Paul Bonatz).
Eine Bausünde unserer Zeit
Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurde rasch renoviert und der Bahnhof mit Zubauten versehen, zu denen auch das ehemalige Postgebäude (1951) gehörte. Neben dem Bahnhof ist damals ein braun verputzter Klotz entstanden, der sich in seiner Ungestalt mit einem industrieverglasten Treppenhausturm gegen den schlan-ken Turms der eleganten Architektur Mazzonis stellte. Ein architektonisches Desas-ter. Eigentlich hätte man sich gewünscht, dass diese Kiste mit der gerade diskutier-ten städtebaulichen Umgestaltung des Bahnhofsgeländes verschwinden würde. So-lange konnte wohl der Umbau nicht warten und nach einem Wettbewerb unter sechs Planern erhielt Architekt Michael Tribus dazu den Auftrag. Ein Glücksfall, wie sich herausstellen sollte. Tribus hatte sich bereits mit energetisch innovativen Planungen einen Namen gemacht. Aber er wollte sich hier nicht nur auf dieses Thema be-schränken sondern stellte auch das architektonische Erscheinungsbild in den Vor-dergrund seiner Überlegungen.
Ein architektonischer Entwurfsansatz
Tribus gelang es der Baumasse mit zwei zusätzlichen Geschossen eine klareres ge-stalterisches Bild zu geben. Der vormals so peinlich wirkende Treppenturm neben dem eleganten Turmbau Mazzonis verschwand durch die Einbindung in das fast gleich hohe Gebäude und wirkt durch reflektierenden Fotovoltaikelemente entmateri-alisiert. Was vorher eine öde Kiste ohne Bezug auf die gestalterisch so prägende Umgebung war, gewann nun an architektonischem Profil, das für eine städtebauliche Überleitung in die nach Norden verlaufende Rittnerstrasse sorgt – eine der vier Ach-sen der Stadtplanung Sebastian Altmanns. Dem Architekten gelang es, den klaren Grundriss des Altbaus spürbar werden zu lassen und ihn gestalterisch zu überspie-len. Dabei nutzt er die einzigen architektonischen Elemente, die der Bau bietet, näm-lich die Fenster. Mit ihnen beginnt er mit verschieden angeordneten Schrägen der Laibungen ein Spiel der Volumina im Licht. Es entsteht eine wirklich lebendige und sich mit dem Wandel der Tageszeiten ständig veränderte Anmutung der Fassade mit ganz einfachen Mitteln. Dabei dienen die Schrägen der Laibungen gesteuerten Lichteinfall und Ausblicken. Man könnte sich wünschen, dass das Spiel mit Licht und Schatten durch die rhythmisch eingesetzte Vielfalt der Schrägen um die Fenster mehr Tiefe hätte. Dann würden aber durch das Zurücknehmen der Fensterebenen aus der außenliegenden Dämmschicht wichtige wärmedämmtechnische Erfordernis-se missachtet.
Erfreuliche Normalität
Alles in allem der beachtliche Versuch der armseligen Architektur des Bestandes neues Leben einzuhauchen. Schade, dass dies nicht im ganzheitlichen Zusammen-hang mit der anstehenden städteplanerischen Neugestaltung des Bahnhofsgeländes und der im Umbau befindlichen Talstation der Rittner Umlaufbahn geschehen konnte. Es ist zu wünschen, dass der Bozner Bahnhof an dieser zentralen Stelle bleiben mö-ge und dass die künftigen Bauten auf den Flächen der künftig entfallenden Gleise eine ähnliche Qualität erreichen, wie dieser energetisch so spektakuläre und archi-tektonisch so erfreulich „normale“ Umbau, der zu Recht im Jahre 2006 mit dem in Italien sehr begehrten Architekturpreis der Stadt Oderzo ausgezeichnet wurde.
Klimahaus-Gold-Plakette für das Sanierungsprojekt
Errechnet wurden für den Umbau Heizkosten von 4.500,00 €/a – ca. 5% der Heizkos-ten des Altbaus! - und 1/6 der jährlichen Heizkosten für ein KlimaHaus C (27.000,00 €/a). Die Mehrkosten des Umbaus gegenüber diesem in Höhe von 144.000,00 € (3 % der Baukosten) amortisieren sich bereits in 5,3 Jahren. Der Energieverbrauch pro Mitarbeiter liegt bei 410 kWh/qm/a, das bedeutet 45 € jährliche Heizkosten pro Mitar-beiter gegenüber 270 € im KlimaHaus C. Aufgrund dieser ausgezeichneten Werte erhielt das Gebäude die KlimaHaus-Gold-Plakette des Landes Südtirol, die jedes Jahr nur an Häuser mit einem Energieverbrauch von unter 10 kWh/qm/a=1l/qm/a vergeben wird. Dass energiesparendes Bauen nicht teurer sein muss belegen die Kosten für diesen Umbau: bei einer Baukostensumme von 4.81 Mio.€ (ohne Einrich-tung) wurden bei einer Nutzfläche von 2.900 qm und für 20.000 cbm umbauten Raum Kosten von 240,50 €/cbm errechnet, was deutlich unter dem durchschnittli-chen Preis im Lande von 280,00 €/cbm liegt.
Wie wurden die Passivhaus-Werte erreicht?
Der kompakte Baukörper mit dem Verhältnis Außenwand zu Volumen von 0,26 und mit nur 16% Anteil gleichartiger Fensterflächen waren eine ideale Voraussetzung für die Passivhaussanierung und ein flächensparendes Funktionieren der Innenberei-che. Die Fassade hat eine zweilagige Lambdapordämmung (35cm, U=0,09 W/qmK + 28cm, U=0,10 W/qmK) mit STO-Putz auf Beton- bzw. passivhaustauglicher Pfosten-Riegel-Konstruktion. Die kerngedämmten Passivhausfenster mit Drei-Scheiben-Wärmeschutzverglasung, liegen in einer Ebene mit der Fassadendämmung, die noch über die Fensterstöcke greift. Damit werden bei einer Außentemperatur von –10°C und einer Innentemperatur von +20°C am Fensterstock immer noch +17°C erreicht und die bei +12,5°C auftretende Schimmelpilzbildung vermieden. Dazu kommt ein Heizlüftungssystem mit thermischer Gaspumpe und Zuglufteinführung oberhalb des Treppenhausturmes, der zusätzlich mit Photovoltaikelementen ummantelt ist. Diese Anlage wird zentral im Hauskern mit offenliegenden Verteilerrohren in den Innenflu-ren geführt und ermöglicht eine Regelung über Zuluftkonvektoren als Nachheizregis-ter über den Zimmertüren. Auch im Inneren erlaubt die Gebäudestruktur einen kom-pakten Grundriss mit kurzen Wegen über breite Innenflurflächen, die als Warteberei-che, Stellflächen für Kopierer usw. sinnvoll genutzt werden und mit Verglasung über Türhöhe auch gut belichtet sind. Vom Bauherren ist nur Begeisterung zu hören und man hofft, das dieser Bau im Lande zum Vorbild geworden ist – ein Wunsch, dem bereits mit über 250 weiteren Passivhausbauten in den letzten Jahren entsprochen wurde.
Andreas Gottlieb Hempel
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