Samstag, 17.10.2009 | Neues von dr mittleren Generation

Neues von der mittleren Generation

Die Exponenten der jungen Architektengeneration werden gerne von der Publizität entdeckt, vorausgesetzt, ihre Erstlingswerke sind auffällig genug. Oft ist es aber so, dass sich die Kreativität und die kontinuierliche Qualität der Arbeit von Architekten erst in deren reiferen Alter zeigt, wenn die Aufgeregtheit ihrer Jugendwerke verglüht ist und ihren aktuellen Glanz verloren haben. Dazwischen liegen dann Jahre intensi-ver und ernsthafter Arbeit, die oft unbeachtet bleiben. Die mittleren Jahre des Rei-fens. Es ist wirklich ein Problem des Architekturjournalismus, dass mehr die Neuig-keit als die Kontinuität zählt, der letzte Schrei von gestern heute bereits alt aussieht und durch die neueste Nachricht übertroffen werden muss – auch hier gilt leider der alte Journalistenspruch, dass keine Zeitung so alt ist wie die von gestern. Eigentlich kann über ein Bauwerk erst dann seriös geurteilt werden, wenn es in Würde mindes-tens ein Jahrzehnt gealtert ist, die Bäume drum herum groß geworden sind oder die Einfügung in eine Landschaft oder ein Ensemble nach wie vor überzeugen. Dazu gehört auch, ob der Bau mit Patina und Gebrauchsspuren standgehalten hat oder nur zu einer Bauschadensammlung verkommen ist. Und dass es die jeweilige Mode seiner Entstehungszeit so überstanden hat, dass es selbstverständlich frisch und zeitlos wirkt.

Der Springer Verlag, Wien/New York, hat sich nun unter dem Titel „generazione di mezzo“ unter dem Kurator Paolo di Vocialta der mittleren Generation der 50-jährigen angenommen, die im Nordosten Italiens und Südtirols durch die Kohärenz und Quali-tät ihrer Arbeit von sich reden machen aber noch nicht durch Architekturkritik, Fachpublikationen oder die Verleihung von Architekturpreisen in den Olymp der weltweit tätigen Jetsetter erhoben wurden. Es sind Architekten, die in den letzten zwei Jahrzehnten mit ihren Projekten Kontinuität und Dauerhaftigkeit bewiesen und ihren Einfluss innerhalb der oberitalienischen Kulturregion unter Beweis gestellt haben ohne bereits in aller Munde zu sein. Gesponsert werden diese Publikationen durch die Baufirma Figli di Massimo Paladin, die Architekturqualität gerade in einer Region fördern möchte, die durch bauliche Eingriffe der letzten Jahre besonders ge-prägt – um nicht deutlicher zu sagen: geschädigt – wurde.

Für uns Südtiroler ist in dieser Reihe jetzt ein wichtiger Band erschienen: „modern alternatives“ nennt sich die dreisprachig (Englisch/Italienisch/Deutsch) gefasste Ver-öffentlichung über die Arbeiten des Meraner Architektenduos Höller & Klotzner. Zwei Architekten, welche mit ihren herausragenden Bauten der letzten Jahre die alpine Architektur Südtirols gewissermaßen gegen den Strich bürsten. Südtirol, aufgrund der Ablehnung des italienischen razionalismo als Besatzerarchitektur der zwanziger und dreißiger Jahre erst spät in der architektonischen Moderne erwacht, versank jahrzehntelang mit Ausnahme weniger fast isoliert dastehender progressiver Archi-tektur in einem bräunlichen Brei fader Tiroler Dekorationssurrogate. Das hat sich mit der Generation der heute fünfzigjährigen Architekten grundlegend geändert. Werner Tscholl, Walter Angonese, Walter Dietl, Arnold Gapp und andere sind neben Höller & Klotzner die Protagonisten dieser erstaunlichen Entwicklung. Höller & Klotzner neh-men dabei eine Sonderstellung ein. Ihre Arbeiten haben ohne den dazugehörigen und publizistisch geförderten Bekanntheitsgrad internationales Format erreicht und sind doch gleichzeitig die besten Beispiele dafür, wie eine moderne Architektur des Alpenraumes aussehen kann. Sie sind kein Rückgriff in einen oberflächlich verstan-denen Regionalismus und leben dennoch von den inneren Bezügen und sorgfältig analysierten Strukturen der Region und des Ortes die völlig neuartig interpretiert werden.

Es sind keine Bauten der Globalisierung wie manche Werke international bekannter Größen, die beliebig irgendwo abgestellt werden könnten und nur die Duftmarke ih-res Entwerfers verbreiten. Sie wären auch nirgendwo anders denkbar sondern ver-schaffen vielmehr der Baukultur Südtirols eine künftige Tradition jenseits der bekann-ten dekorativen Oberflächen, die so oft mit dem Bauen im alpinen Raum verwechselt werden. Im dem Band werden sieben gebaute Projekte mit professionellen, z.T. ganzseitigen Fotos zusammen mit den Plänen und Baubeschreibungen vorgestellt. Zwei kluge Essays gehen sensibel ausdeutend auf die Arbeit von Höller &Klotzner ein. Ein klug gemachtes Buch zur richtigen Zeit, im richtigen Format, mit anspre-chender Grafik auf gutem Papier aber ohne den häufig anzutreffenden Hochglanzan-spruch, der die Projekte als Inkunabeln nur museal einsargen würde.

Andreas Gottlieb Hempel

modern alternatives
Höller& Klotzner architecture
Alessandro Rocca
Springerverlag Wien / New York
ISBN 978-3-211-79193-6
www.springer.at
30.- €

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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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