Samstag, 17.10.2009 | Wie landschaften wir weiter?

Journal Bauen Kommentar 2.2009

Wie landschaften wir weiter?

Das Grödnertal als Sportarena, die Täler zugeschüttet mit Gewerbebauten, die Hänge zersiedelt mit Ferienwohnungen, das landwirtschaftliche Grün als Kubaturreserve, das Welterbe Dolomiten mit Liften angeknabbert, Hotelbauten im Naturschutzgebiet – wohin mit dem Zivilisationsmüll, was wird aus der (noch) so schönen Südtiroler Landschaft?

Welche Landschaft wollen wir? Fragt auch das Amt für Landschaftsökologie der Autonomen Provinz Südtirol, besorgt über die Entwicklung der letzten Jahre. Allein der gesetzliche Schutz von Naturdenkmälern und Biotopen nützt wenig, wenn drum herum intensiv abgewirtschaftet wird. Naturparks als „Landschaftsmuseen“ sind nicht ausreichend um den Charakter einer bisher einmaligen Landschaft zu erhalten. Es muss vielmehr eine umfassende, ganzheitliche und abgestufte Strategie zur Bewahrung der Natur als unserer Lebensgrundlage entwickelt werden. Sie braucht nicht im Gegensatz zur Wirtschaft stehen – ganz im Gegenteil: eine intakte, gepflegte oder naturbelassen Landschaft ist nicht nur die Grundlage für Südtirol als Gastland sondern auch für die Identität, die Heimat der Südtiroler selbst, die das Leben lebenswert macht.

Dabei gilt es unterschiedliche Landschaften im so verschiedenartigen Südtirol zu beachten: Die großartige Naturlandschaft der Bergregionen, die in Jahrhunderten gewachsene und gepflegte Kulturlandschaft der Weinberge, Obstgärten und Weiden, die Dachlandschaften der Dörfer und Städte, die man hier immer auch von oben sieht und die Seelenlandschaft aus vielfältiger Schönheit, von der die Menschen immer wieder angerührt werden – hier werden die größten Verluste verzeichnet, wenn brutale Eingriffe durch Kiesgruben, Straßenbau, Gewerbekästen, maßstablose Neubauten aus mangelnder Sensibilität oder nur nacktem Gewinnstreben entstanden sind. „Es blutet einem das Herz, wenn man das sieht“ ist die oft gehörte Reaktion vieler betroffener Menschen.

Aber gerade auf die Bürger kommt es an: was nützen die besten Gesetze und Regulierungen wenn es beim Einzelnen an Umwelt- und Naturbewusstsein fehlt, wenn er keinen Sinn für Naturschutz entwickelt und keine Rücksicht auf die Natur bei seinen eigenen Projekten nimmt – die anderen ja, aber warum gerade ich? Hier ist Aufklärung, Bewusstseinsbildung, Erziehung und Anleitung zum verantwortungsbewussten Handeln wichtiger als alle Ge- oder Verbote. Wir bekommen die Landschaft, die wir verdienen - oder an der wir verdienen solange der Vorrat reicht.

In Südtirol sind es die Gemeinden, denen vom Land mehr Zuständigkeiten für den Landschaftsschutz im Rahmen des „Landschaftsleitbildes Südtirol“ bei der Planungs- und Schutzkompetenz übertragen wurden. Mit den Gemeinden werden vom Amt für Landschaftsökologie Landschaftspläne entwickelt, die zum Bestandteil der Bauleitplanungen werden. Die Gemeinden sind die erste Entscheidungsinstanz im Genehmigungsverfahren für den Großteil nicht nur der Bauprojekte sondern auch der Bauleitpläne. Hier fallen die wichtigsten Entscheidungen zur Durchgrünung der Siedlungsgebiete, die in Durchführungspläne umgesetzt und auch in die Gemeindebauordnung aufgenommen werden können. Leider fehlen in der Bauleitplanung meist die Grünordnungspläne, die leider erst bei Baumaßnahmen über 20. 000 cbm verbindlich vorgeschrieben sind – eine empfindliche Lücke in der Gesetzgebung! So kommt es immer wieder zum Bau von asphaltierten Flächen ohne Baum und Strauch, zu Tiefgaragen auf deren flacher Erdschüttung nur noch Rollrasen gedeiht, zu bekiesten Flachdächern, die mit ihrer Hitzeabstrahlung im Sommer das Kleinklima aufheizen statt extensiv begrünt einen angenehmen Anblick auch von oben zu bieten und zur Ansicht chaotisch nebeneinander aufgereihter Gewerbekisten, die mit einer Baukulisse, etwa einer Pappelallee, einfach „auszublenden“ wären, Parkplätze könnten unter Baumreihen beschattet werden und den Blechsee verdecken.

Diese aus Platzgründen kurze Aufzählung könnte endlos fortgesetzt werden. Es scheint aber nicht nur an Fantasie und Umweltbewusstsein zu fehlen. Gerade die Gemeinden sehen sich immer wieder dem Druck wirtschaftlicher Interessen der Stärkeren und Einflussreichen ausgesetzt, die sich wenig um Natur- und Umwelt scheren und über Rekurse ihre Absichten schließlich durchsetzen – der individuelle kurzfristig gesehene wirtschaftliche Nutzen wird so zum langfristig unwirtschaftlichen Schaden aller. Aufklärung kann helfen, dass sich der Bürger rechtzeitig dagegen zur Wehr setzen kann. Unter dem Titel „Unsere Landschaft“ hat die Abteilung Natur und Landschaft des Assessorates für Umwelt und Raumordnung eine sehr informative Broschüre herausgegeben, die dort kostenlos bezogen werden kann. Information ist auch eine Bürgerpflicht – nicht nur meckern!

Andreas Gottlieb Hempel

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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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