Samstag, 17.10.2009 | Südtiroler Architekturpreis

Südtiroler Architekturpreis – ein Kommentar

Zum fünften Male seit 2004 wird von der Stiftung Kammer der Architekten der Pro-vinz Bozen der Südtiroler Architekturpreis verliehen, erstmals zusammen mit dem jetzt zum dritten Male vergebenen Südtiroler Preis für Kunst am Bau.

Baukunst definiert das Selbstverständnis einer Region. Die Region Südtirol kann auf eine jahrhundertelange Baukultur zurückblicken. Im Durchzugsland zwischen Nord und Süd haben hier wie unter einem Brennglas alle Ausstrahlungen der europäi-schen Kunst und Architektur ihre Spuren hinterlassen. Von der Romanik über die Gotik den Barock und Klassizismus bis zum Jugendstil ist alles zu finden. Die Bau-kunst kennzeichnet das baukulturelle Bewusstsein und im weiteren Sinn das Heimat-gefühl der Südtiroler.
Mit der Annektion Südtirols durch Italien, mitten im Umbruch der Architektur zur Mo-derne, dem Bauhausgedanken und dem razionalismo, endete diese Selbstidentifika-tion der Südtiroler über die Baukultur, die sich nun auf einen rückwärtsgerichteten Traditionalismus beschränkte. Modernes Bauen wurde in den 1920-30er Jahren als die Architektur der Besatzer empfunden und trotz teilweise hoher Qualität weithin abgelehnt. Die wenigen hervorragenden Beispiele moderner Baukunst jener Jahre in Südtirol von Welzenbacher, Baumann, Holzmeister u.a. konnten als Einzelstücke nicht prägend wirken. Die Identifikationsmerkmale wurden vielmehr in der anonymen bäuerlichen Bautradition gesucht. In der Nachkriegszeit wandelte sich die Lebens-weise der Südtiroler von der Landwirtschaft zur Gewerbe- und Dienstleistungsgesell-schaft mit Tourismus und urbanen Kulturempfinden für die eine dekorative Übernah-me von alpin-bäuerlichen Gestaltungselementen in der Architektur unpassend ist. Architekten einer konsequenten Moderne wie Othmar Barth wirkten wie einsame Ru-fer in der Wüste, zumal in einer restriktiv gehandhabten Baupolitik.
Mit dem Bauboom der letzten Jahrzehnte entstand aus dem mangelnden Bewusst-sein für die erforderlichen Qualitäten zeitgenössischen modernen Bauens ein zersie-delnder Brei unverbindlicher, teilweise trostloser Mittelmäßigkeit, welche weiter dazu beitrug die Aversionen gegen die moderne Architektur noch zu verstärken. Inzwi-schen entstanden mit einer junge Generation von Architekten teilweise hervorragen-de und innovative Bauten und endlich auch die diskursive Auseinandersetzung über modernes Bauen in einer breiteren Öffentlichkeit.
Zu diesem Zeitpunkt wurde der Südtiroler Architekturpreis von der Architektenkam-mer geschaffen um mit beispielhaften Bauten der Architekturdiskussion anschaulich Substanz zu verleihen. Wie das Wort Bau-Kunst schon sagt, ist Bauen nicht nur eine Kunst sondern geschieht auch mit der Kunst, mit Künstlern, welche die oft nüchter-nen Bauten atmosphärisch überhöhen. So war es an der Zeit, dass der Südtiroler Architekturpreis zusammen mit dem Südtiroler Preis für Kunst am Bau des Südtiroler Künstlerbundes verliehen wurde. Ausgewählt wurden von einer gemeinsamen Jury nicht nur jeweils ein Preisträger sondern – wegen der komplexen Unterschiedlichkeit der architektonischen und künstlerischen Projekte - sechs Bauten und zwei Kunst-werke. Sie zeigen die Vielfalt der Möglichkeiten und – was vielleicht noch wichtiger ist – sie können sehen und urteilen lehren.
Gleichzeitig erkennt man bei den eingereichten Arbeiten den inzwischen erreichten hohen Stand der modernen Südtiroler Baukultur, die leider außerhalb Südtirols noch wenig wahrgenommen wird. Sie führt aber die Tradition der Baukultur in unserer Re-gion in gleicher Qualität weiter.

Zu sehen im Katalog turrisbabel 78, hrg: Architektenkammer Bozen.

Andreas Gottlieb Hempel

(3.674 Zeichen m. Zw.)


Anmerkung für Sigrid Hechensteiner:

Die Dolomiten haben bereits am 28. April 2009 in den Dolomiten Nr.97, S.14 das Er-gebnis der Architektur- und Kunst-am-Bau Preise vorgestellt.
Im turrisbabel sind die Arbeiten ausführlich beschrieben. Das habe ich zugunsten eines Kommentars nicht noch mal gemacht.
Das Bildmaterial stammt vom Präsidenten der Kammer der Architekten, Lukas Abram, auf CDRom und ist in der Redaktion „Dolomiten“ bereits vorhanden – gesetzt den Fall dass sie dort wiedergefunden werden. Sonst besorge ich die CDRom.
Ich schlage vor, die gleichen Bilder für unsere Veröffentlichung zu nehmen und mit folgenden Unterschriften zu versehen:

Architekturpreis:
Dreifamilienhaus Dubis, Meran – Arch. Silvia Boday, Rainer Köberl
Kreis für Jugend, Kultur und Kunst, St. Ulrich – Siegfreid Delueg
Berufsschule, Bozen – Höller & Klotzner
Wohnanlage Kaiserau – Christoph Mayr Fingerle
Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, Brixen – MODUS-architects
Restaurierung Festung Franzensfeste – Markus Scherer, Walter Dietl

Kunst-am-Bau-Preis:
Steigenwand Latsch – Manfred Alois Mayr
Handelskammer Bozen – Philipp Messner


 



:: Home :: Impressum :: Sitemap

15.01.2020
Häuser des Jahres

15.01.2020
Die Bozner Freiheitsstraße

Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
Otto von Guggenberg Str. 46   I-39042 Brixen (BZ)   Italien
Tel Studio 0039-0472-836317   mobil 0039-349-7969334
privat 0039-0472-679076   e-mail info@agh.bz
Seite drucken Webseite zu den Favoriten hinzufügen