Samstag, 17.10.2009 | Bauten am Bergisel - zum Andreas Hofer Jahr

Dolomiten Baukultur Juli 2009

Bauen am Bergisel – auf den Spuren von 1809

Das Gedenkjahr 1809 geht nicht spurlos an der Baukulturseite vorbei. Wir berichten über das Bauen auf dem Schlachtfeldes der siegreichen Tiroler unter Andreas Hofer  am Bergisel bei Innsbruck. Dazu hat das Archiv für Baukunst der Universität Inns-bruck zusammen mit dem Kuratorium Technische Kulturgüter Bozen unter dem Titel „Vom Heldenberg zur Sportarena“ eine sehenswerte Ausstellung gemacht aus der die Abbildungen dieser Seite stammen.

Der Bergisel ist eine herausragende Bergkuppe am Rande der im flachen Talgrund liegenden Stadt Innsbruck. Er wird im Norden von der Brennerstraße begrenzt, im Westen von den weiten Ferrariwiesen, im Südwesten vom Bergisel-Sattel und im Süden und Osten von der Sillschlucht. Der Bergisel scheint heute vor allem ein Ver-kehrsknotenpunkt zu sein, das dem Vorbeieilenden nichts von den Ereignissen um 1809 preisgibt. Hier verknoten sich drei Autobahnanschlüsse. Die Inntalautobahn wurde 1977 direkt durch den Bergisel gebohrt, die Brennerbahn bereits über ein Jahrhundert früher und um den Schicksalsberg windet sich neben der Straßenbahn nach Fulpmes  noch die belebte Brennerstraße. Aber der Verkehr ist hier nichts Neu-es. Wahrscheinlich haben schon die Römer von Vipitenum über den Brenner durch das Wipptal kommend eine Brücke über die Sill gebaut um durch das untere Inntal zu marschieren. Urkundlich belegt ist hier eine hölzerne Brücke um 1251. Sie war 1809 schwer umkämpft und gefährlich für die Tiroler, weil sie damit die schützenden Wald-hänge verlassen mussten um über die Talebene nach Innsbruck vorzudringen. Die Brücke wurde immer wieder durch Hochwasser zerstört und schließlich 1898 durch eine Stahlbrücke mit Zollstelle für den zunehmenden Lastenverkehr ersetzt. Schließ-lich wurde sie 1977 beim Bau der Autobahn abgerissen und an anderer Stelle wieder aufgebaut. In unseren Tagen wird noch eines drauf- bzw. druntergesetzt: Der geplan-te Brennerbasistunnel soll ebenfalls unter dem Bergisel verlaufen, die Probestollen sind schon gebohrt.

Das Gedenken an Andreas Hofer kam aber nicht zu kurz. Um 1840 errichteten die Kaiserjäger am Bergisel einen Schießstand, dessen Casino und Empfangsgebäude 1880 in ein Museum umgewandelt wurde. Dieses Museum enthielt auch eine Andre-as Hofer Galerie mit dem 157 Bände umfassenden Ehrenbuch für die von 1796-1813 und den in beiden Weltkriegen gefallenen Tiroler. 1893 entstand nach dem Entwurf des Vinschger Bildhauers Heinrich Natter (1844-92) ein Denkmal für Andreas Hofer, das vor allem von Seiten der Kirche scharfe Kritik erfuhr, weil es Hofer nicht als tief-gläubigen Christen sondern als feurigen Kriegskommandanten darstellte. Am 1. Ok-tober 1961 wurde es – wohl als Reaktion auf die Anschläge in Südtirol - von bis heu-te unbekannten Tätern gesprengt. Eine Bergiselstiftung übernahm den Ausbau und die Pflege der Anlagen bis heute. 1912 entstand die Kreuzkapelle, 1923 das Ehren-grab des unbekannten Kaiserjägers, 1929 ein neuer Aufgang, 1930 das Kaiser-Franz-Josef-Denkmal und 1937 das Kaiser-Karl-Denkmal. Während des Ersten Weltkrieges planten die Kaiserjäger den Ausbau Bergisels als einen gewaltigen Hel-denberg mit über 60m hohen Kollossalfiguren, Paradeplätzen und Ehrenhallen. Die monumentalen Anlagen wurden von bekannten Architekten entworfen: Lois Welzen-bacher, Ettore Sottsass sen. und der Otto-Wagner-Schüler Rudolf Perco. Nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das Großdeutsche Reich wollte Gauleiter Hofer den Bergisel als „Heldenberg“ für die Freiheitskämpfe aller Alpenvölker ausbauen. Archi-tekt Otto Mayr entwarf dafür 1941-43 eine alle Dimensionen sprengende Anlage un-ter Einbeziehung der heutigen Bahnhofsflächen als städtebauliche Achse zur „Neu-gestaltung der Gauhauptstadt Innsbruck“, der in seinem monumentalen und rück-sichtslosen Ansatz an die Pläne von Hitler und Albert Speer für Berlin erinnert. Schon 1936 zeichnete Hubert Prachensky (*1916) in Anlehnung an die NS-Architektur einen ähnlichen Entwurf als Studentenarbeit. 1959 plante Clemens Holzmeister einen Neubau mit Ehrenhalle, Restaurant und Kapelle zum 150-jährigen Gedenken an die Bergiselschlacht. Gebaut wurde aber nur die Kapelle, nach Plänen von Hubert und Manfred Prachensky – schon interessant, dass der Planer der Nazizeit dabei wieder auftauchte. Das alte Museum erfuhr bis heute keine äußeren Veränderungen wurde aber im Inneren öfters umgestaltet. 2007 beschloss die Stadt Innsbruck ein neues Museum am Bergisel zu bauen um darin die Erinnerungen an 1809 bis hin zur Tei-lung Tirols aus der veränderten Sicht des 21. Jahrhunderts darzustellen. Es wird der-zeit nach Plänen der Innsbrucker Architekten Stoll und Wagner gebaut und soll 2010 eröffne werden. Es entsteht ein vom alten Museum abgesetzter eleganter Flachbau mit gläsernen Fassaden, der in seiner Mitte vertieft einen Rundbau enthält. Darin wird das 1000 qm großen Riesenrundgemälde von Zeno Diemer aus dem Jahr 1896 ausgestellt, das die Schlacht am Bergisel als romantisierendes Historienbild darstellt.

Am Bergisel wurde auch von 1910-1914 nach den Ideen der Gartenstadtbewegung für wohlhabende Bürger eine Siedlung aus Einzelhäusern in großen Gärten gebaut. Licht, Luft, Sonne und die Verwendung einheimischer Baustoffe durch das örtliche Handwerk waren das Thema der Architektur mit typischen Elementen wie Giebeldä-cher, Erker, Sprossenfenster und Holzklappläden. Die Siedlung ist heute leider durch zahlreiche neuere Zubauten in ihrem einstigen Charakter entstellt.

Schon 1925 entstand die erste Sprungschanze am Bergisel. Sie wurde 1928 durch einen hölzernen Anlaufturm erweitert, der leider einmal unter der Last der Sportler zusammenbrach. 1933 wurde die Anlage mit einer Tribüne für 5000 Zuschauer ver-sehen. Seit 1952 findet hier die Vierschanzentournée statt. Deren technische Anfor-derungen wurden durch Um- und Neubauten anlässlich der Olympischen Winterspie-le 1964 und 1976 mit Tribünen für 60.000 Zuschauer erfüllt. Aber auch diese Anla-gen waren wieder rasch veraltet. Um den Anforderungen der FIS für die Vierschan-zenwettkämpfe zu folgen, veranstaltete die Stadt Innsbruck 1999 einen Wettbewerb unter acht international renommierten Architekten den die iranisch/britische Architek-tin Zaha Hadid mit einer höchst eleganten Lösung zum völligen Neubau für sich ent-schied. 2001 wurde die alte Anlage gesprengt und die neue auch für Sommerbetrieb geeignete Schanze 2002 eingeweiht. Die außergewöhnliche Form des in sich ge-drehten Schanzenturms ist zu einem weiteren Wahrzeichen von Innsbruck geworden und wurde mit dem Österreichischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet.

Wer hätte einst gedacht, dass sich das blutige Schlachtfeld von 1809 am Bergisel zur friedlichen Wettkampfstätte wandeln würde? Eine würdige und völkerverbindende Anlage für den friedliche Wettstreit anstelle pompöser Heldenverehrung! Es ist zu hoffen, dass auch in dem neuen Museum auf das elende Sterben der Männer im aus heutiger Sicht sinnlosen Kampf hingewiesen wird.

Andreas Gottlieb Hempel

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Mehr über die Bauten am Bergisel in dem Buch:

Vom Heldenberg zur Sportarena
Bauten und Projekte für den Bergisel 1809-2009
Hrg. Archiv für Baukunst der Uni Innsbruck
Studienverlag Innsbruck-Wien-Bozen
ISBN 978-3-7065-4784-0
24.90 EUR


 



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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