Francisci oppidum – ein feste Burg, nie genutzt.
Die Franzensfeste ist immer noch das größte zusammenhängende Bauwerk Tirols, die größte Festung im Alpenraum, eines der größten Festungsbauwerke in Europa und mit 20 ha Fläche wirklich eine kleine Stadt. Wuchtige Mauern aus Granit, 20 Mio. in den inneren Gewölben verbaute Ziegel, 300 laufende Kilometer verwendetes Holz, ein in den Granit gehauener Verbindungsgang mit 451 Stufen - alles in nur fünf Jahren von 4.500 Arbeitern bis 1838 errichtet – ein Bau der Superlative. Auch in den Kosten: nach heutiger Währung 500 Mio. Euro.
Erst die neueste Festungsbauweise...
Erzherzog Johann, zwanzig Jahre jung und schon Oberbefehlshaber des österreichischen Heeres, gilt als Initiator des Festungsbaus im Rahmen des geplanten Festungsvierecks von Verona, Peschiera, Mantua und Legnago. Franzensfeste sollte als erste fertiggestellt werden. Der Planungsauftrag ging an den Festungsplaner Franz von Scholl, der sich nicht mehr an die Grundsätze des Festungsbaus im Barock hielt, sondern den Überlegungen Montalamberts und der „neudeutschen“ und „neuösterreichischen“ Festungstechnik der Militärakademien folgte, wie sie entlang des Rheines und der Donau (etwa in Ulm und Koblenz) begonnen wurde. Streng klassizistische Bauten wurden so verwinkelt angeordnet, dass kleine Verteidigungsteile innerhalb der Festung entstanden und man selbst gegen eingedrungene Angreifer noch vorgehen konnte. Wäre die untere und mittlere Festung verloren gegangen, so konnte diese noch von der oberen Festung beschossen werden.
...dann ein Dinosaurier der Kriegstechnik
Niemals hat sich dieser militärtechnische Saurier, für fast 100 Kanonen und 1000 Mann Garnison geplant, im Kampf bewähren müssen. Zweimal hat sich die k.u.k Artillerie allerdings im Manöver an den Festungsmauern versucht – ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen. Als Reaktion auf die napoleonischen Kriege gebaut aber bald von der sich rasch ändernden Kriegstechnik überholt, wurde die Festung zum Munitionsdepot degradiert. Sie blieb aber bis zur Übergabe 2005 an das Land Südtirol immer militärisches Sperrgebiet. Bis zuletzt herrschte Fotografierverbot und der Zugang war nur Mitgliedern der sie verwaltenden Alpinibrigade „Tridentina“ mit einem komplizierten Erkennungsprotokoll möglich.
Ein geheimnisumwittertes Bauwerk
Kein Wunder, dass diese letzte Festung des an Burgen schon reichen Südtirol geheimnisumwittert war. Nicht zuletzt durch den sagenhaften Goldschatz der Banca d’Italia. 127 000 Tonnen Feingold ließ der räuberische Diktator Mussolini kurz vor seiner Entmachtung 1943 dort verstecken. Aber nur 25 000 Tonnen konnten nach Kriegsende dem italienischen Staat von den Amerikanern zurückgegeben werden, der Rest blieb verschwunden. Es heißt, dass er von der Deutschen Wehrmacht nach Berlin und in die Schweiz gebracht wurde. Aber auch die italienische Geheimloge P1 unter Licio Gelli sowie der argentinische Diktator Juan Peron sollen davon profitiert haben. Und vielleicht findet sich ja doch noch etwas in den Katakomben.
Nach der Übergabe: eine Kulturfestung?
Nach der Übergabe folgten Aufräumarbeiten um die sich die Gruppe Oppidum der Gemeinde Franzensfeste besonders verdient machte. Es wurde versucht, das martialische Bauwerk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und eine neue, weniger militärische Nutzung zu finden. Nun fand in diesem Jahr von Mai bis einschließlich Oktober die Tiroler Landesaustellung „Labyrinth Freiheit“ dort statt und weit über 50.000 Besucher konnten die Festung von innen erobern. Die Ausstellung, die den Mythos Freiheit im viel strapazierten Hofer Jahr auf ganz andere Weise interpretiert – sie wurde an anderer Stelle eingehend besprochen - hat auch architektonische Spuren im Bauwerk hinterlassen.
Sensible moderne Einfügungen
Architekt Markus Scherer, der schon an der Planung für Schloss Tirol beteiligt war, hat nach einem Wettbewerb mit sorgsam ausgewählten, sensiblen Eingriffen dem unteren und mittleren Festungsteil eine beachtenswerte Führungslinie moderner Architektur verliehen. Treppentürme aus neuartig verarbeitetem Beton mit transparenten Fugen, Stahlbrücken und Treppen, statisch leicht wirkend gegen die granitene Schwere der Mauern und das allgegenwärtige Ziegelmauerwerk im Innern sowie zurückhaltende, einfache Details haben den klobigen Festungscharakter „veredelt“ – viel zu schön für weitere Schießübungen!
Wohin soll es gehen?
Ging der Schuss mit der schönen Landesaustellung auch voll ins Schwarze so ist doch das weitere Schicksal zur Nutzung des gigantischen Bauwerks noch ungewiss. Der obere Festungsteil, gewissermaßen die „Akropolis“ der Franzensfeste wurde noch gar nicht in die Umbau- und Einbaumaßnahmen einbezogen. Die Franzensfeste ist allen Südlandreisenden als „landmark“ bestens bekannt. Sie könnte der beeindruckende Empfangssalon Südtirols von Norden werden. Vielleicht mit „Großem Bahnhof“ – der südliche Ausgang des Brennerbasistunnels wird ganz nah benachbart sein. Oder eine einladende Zufahrt von der Brennerstraße für die Landstraßengenießer unter den Automobilisten, die hier touristische Auskünfte erhalten. Oder mit einer Fahrradstation für diesen umweltfreundlichen und ständig anwachsenden Tourismus, vielleicht sogar mit einem Bikerhotel. Und mit Autobahnanschluss – warum nicht einmal eine ganz andere Autobahnraststätte? Gute Ideen sind gefragt, ein Wettbewerb könnte wieder weiterhelfen.
Andreas Gottlieb Hempel
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