Höllischer Horrortrip
Eine der ältesten Kulturlandschaften Südtirols ist in Gefahr verwüstet zu werden. Habgier, Geschäftemacherei, Ignoranz und Rücksichtslosigkeit gegenüber einer bisher ruhigen und idyllischen Natur manisfestierten sich am vergangenen Wochenende als höllischer Horrortrip auf den Feldern von Karnol, einer Fraktion Brixens am Fuß der Plose.
Aber der Reihe nach: Die Mittelgebirge, etwa auf halber Höhe der umliegenden Berge östlich und westlich des Eisacktales, sind mit ihren Moränenhügeln am Ende der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren entstanden. Etwa auf 5.000 Jahre v.Chr. schätzt man die prähistorischen Funde der Melauner Kultur auf der östlichen Mittelgebirgsseite. Durch den Fleiß der Menschen entstand mit der bajuwarischen Besiedlung ab dem 6. Jh. n. Chr. eine einzigartige Kulturlandschaft. Lockere Streusiedlungen, Obstwiesen, Weideflächen, Trockenmauern und Mischgehölze mit wilden Kirschen, Nussbäumen und Keschtn, die gerade jetzt im Herbst mit ihren leuchtend bunten Blättern unter strahlend blauem Himmel empfindsame Menschen entzücken. Dazu sind in romanischer und gotischer Zeit Kirchen und Kapellen gebaut worden, die immer wieder Kunstbegeisterte auf ihren Wanderungen durch diese Landschaft anziehen.
Wer aber am vergangenen Sonnabend - etwa nach dem Betrachten der Fresken im Karnoler Johanneskirchlein - dem Baumaschinenlärm nachging, traf in ein paar hundert Meter Entfernung auf der großen Hangterrasse neben dem Gasthof „Mair am Bach“ auf Bulldozer, die den flachen Hang zu Gräben und Hügeln aufwarfen. Einige Dutzend Wohnwagen waren am Hangabbruch geparkt, eine Bierbar wurde gerade aufgebaut, junge Kerle montierten an ihren KTM-Maschinen.
Am Sonntag war dann Motocross-Rennen. Die jungen Kerle hatten sich in ihre bunten Monturen geworfen und rasten mit brüllenden Motoren über das aufgewühlte Maisfeld, flogen meterweit durch die Luft, krachten dreckspritzend auf die Erde zurück und zerfurchten mit ihren Blockreifen die angrenzende Wiese – ein Höllenlärm!
Aber damit nicht genug, hunderte von Schaulustigen hatten ihre Autos auf jedem freien Fleck zwischen, Hecken, Obstbäumen und Wiesen geparkt, den weichen Boden mit den Reifen aufgewühlt, die schöne Landschaft in ein Schlachtfeld dekadenten Freizeitrummels verwandelt und alle guten Geister der Natur vertrieben.
Polizei und Sanitäter waren aufgefahren um sich um Unfälle zu kümmern. Wer aber kümmert sich um die Landschaft? Wer räumt den Müll weg und sorgt sich um das ausgelaufene Öl und die Fäkalien hinter jedem Busch?
Im benachbarten St. Andrä sollen vier Hotels mit insgesamt über 1.000 Betten gebaut werden. Wird das die neue Event-Unkultur sein, welche Gäste anlocken soll? Dann gute Nacht Kulturlandschaft! Aber irgendwer muss ja solchen Unfug gerade dort genehmigen – wer kann das sein? Die Gemeindeverwaltung Brixen? Das Referat für Umwelt mit seiner Abteilung für Naturschutz? Wir wüssten es gerne.
Andreas Gottlieb Hempel
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