Mittwoch, 30.12.2009 | Gastkommentar Tageszeitung

Gastkommentar

Gemahte Wiesn?

Still ist es geworden um die Hotelprojekte auf der Kojawiese in Mellaun und in St. Andrä. Verdächtig still. Bei dem Hotelprojekt, dass in St. Andrä auf dem Grundstück der Familie des wegen vermutlichem Amtsmissbrauch geschassten Stadtrats Stocker errichtet werden soll – der Staatsanwalt hat inzwischen gegen ihn und den beteiligten Baron Unterrichter Anklage erhoben – kann man verstehen, dass der Gemeinderat von Brixen zögert, einer Baugenehmigung näher zu treten: nochmals möchte man nicht über den beiden vorgeschobenen Damen der beiden Angeklagten das Euro-Füllhorn der Grundstücksspekulation ausgießen und sich dabei öffentlich die Finger verbrennen.

Anders liegen die Dinge beim 250-Betten Hotelprojekt der Brüder Klaus und Andreas Sanoner. Gegen die Entscheidung zur Ausweisung einer Hotelzone im landwirtschaftlichen Gebiet abseits jeglicher geschlossener Bebauung an einer der schönsten noch unberührten Stellen des Brixner Mittelgebirges laufen derzeit fünf Rekurse, von Anwohnern in Mellaun und von Brixner Bürgern, die bereits tausende von Stimmen gegen das Projekt an dieser Stelle gesammelt hatten. Vor Ende Februar ist dabei nicht mit einer Entscheidung zu rechnen. Dennoch schreibt das Ortsblättchen von St. Andrä bereits begeistert darüber, dass diesem 5-Sterne-Hotel - eine Art Luxus-KZ auf der Kojawiese - nun nichts mehr im Wege stünde, Baubeginn könnte bereits 2011 sein und um Störungen zu vermeiden würde eine ca. 1 km lange Straße durch den Wald gebaut. Tatsächlich ist bereits ein eine als „Forstweg“ bezeichnete Straße im Bau.

Über eine Zufahrtsstraße sei noch nichts entschieden, hörte man von Bürgermeister Pürgstaller, der auch – dankenswerterweise - einen Architektenwettbewerb für den Hotelentwurf forderte. Der Wettbewerb wurde mit sechs eingeladenen Architekten abgehalten, in der Jury waren renommierte Kollegen wie Walter Angonese und Wolfgang Ritsch. Letzterer gab als Juryvorsitzender ein vernichtendes Urteil über das „grottenschlechte“ Ergebnis ab, das auch von den Hoteliers ganz offensichtlich nicht respektiert wird. Sie planen derzeit mit ihrem willfährigen Hausarchitekt weiter, der 1. Preis wurde übergangen. Erstaunlich ist nur, dass das Wettbewerbsergebnis über die gestalterische Zukunft dieser herrlichen Landschaft unter Verschluss gehalten wird. Offenbar entspricht es in keiner Weise den Vorstellungen von erstklassiger Architektur an dieser empfindlichen Stelle und würde für helle Aufregung in der Vorwahlzeit sorgen. Auch die Sanoners lassen die Katze nicht aus dem Sack – wahrscheinlich wird hier gerade wieder einmal ein Stück Südtirol verwurschtet und verbaut oder besser: versaut. Hinter den Kulissen, wie so oft, damit nichts mehr zu ändern ist wenn die Pläne mal vorliegen. Dafür sorgt dann schon das Beziehungsgeflecht jenes unterirdischen Myzels aus dem diese Schwammerl der Landschaftsvermarktung wachsen.

Prof. Andreas Gottlieb Hempel, Architekt

 



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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