Dienstag, 16.11.2010 | Stellungnahme der Brixner Architektenschaft Zur Öffnung und Umgestaltung des Hofburggartens in Brixen

Stellungnahme der Brixner Architektenschaft
Zur Öffnung und Umgestaltung des Hofburggartens in Brixen

Als betroffene Bürger aber auch als Fachleute nehmen die Brixner Architekten zur geplanten Öffnung des Hofburggartens wie folgt Stellung:

Der bauhistorische und kunstgeschichtliche Wert
Der Hofburggarten kann nur in der Gesamtheit der Hofburg mit dem Herrengarten und ehemaligen Marstall, dem Hofburggarten mit seiner Umfassungsmauer und dem chinesischen und japanischen Pavillon als geschlossenes Ensemble betrachtet werden. In dieser Einheit stellt das Ensemble eine der wenigen Hofburganlagen in Europa und die Einzige in Südtirol dar, die auf die italienischen Anlagen der Renaissance zurückgehen. Baukunst und Gartenbaukunst jener höfischen Stilepoche bildeten immer eine Einheit, die leider durch Umnutzung vielerorts verloren gegangen ist. Der Hofburggarten in Brixen ist seit 1243 – also fast 770 Jahre! – als historischer Obstgarten der Hofburg fast unverändert erhalten. Brixen besitzt damit einen bauhistorischen und kunstgeschichtlichen Wert von europäischem Rang, der für interessierte und gebildete Besucher eine einmalige Attraktion bildet. Die Hofburganlage steht in ihrem historischen Wert gleichberechtigt neben dem Dombereich. Beide zusammen bilden das ruhige „geistliche“ Viertel Brixens, das dem lebhaften „bürgerlichen“ Viertel in urbanistisch reizvollem Kontrast gegenüber steht. Die Brixner Altstadt hat durch diese Synergie insofern eine städtebaulich einmalige Stellung inne.

Die künftige Nutzung des Hofburggartens
Aus den genannten Gründen steht das Ensemble Hofburg einschließlich seiner Gärten und deren Nutzung unter Denkmalschutz. Auch die Denkmalpflege hat neben dem Schutz der jahrhundertelangen Kontinuität des Hofgartens als pomarium
den Wert dieser Ruhezone im „geistigen“ Viertel Brixens als Ausgleich für die städtische Betriebsamkeit der „bürgerlichen“ Stadt erkannt und plädiert eindeutig für eine Fortführung des Hofburggartens als pomarium. Wie alle Nutzgärten der höfischen Renaissance diente ein pomarium nicht nur der Versorgung des Hofes mit Früchten. Vielmehr legten die Fürstbischöfe großen Wert auf die Anpflanzung seltener Baum- und Obstsorten auch aus Gründen der Repräsentation gegenüber Besuchern. Hier kann der Ansatz für die künftige Nutzung und eingeschränkte Öffnung des Hofgartens liegen: Die Anpflanzung fast als verschwunden geltender Obstsorten Südtirols in der Form einer Streuobstwiese als Lehrgarten. Dazu die Wiedereinrichtung einer Schatten spendenden Pergola entsprechend dem Plan von 1831. Dieser „gärtnerische Kreuzgang“ entlang der Südfassade der Hofburg und der Umfassungsmauern bis zum japanischen bzw. chinesischen Pavillon kann als meditative Ruhe- und Wandelzone mit Sitzbänken dienen, in den Pavillons könnten Erfrischungen verkauft werden. Natürlich erfordert diese in der Investition wenig aufwändige Lösung tagsüber eine bestimmte Überwachung und die nächtliche Schließung – entsprechend dem Herrengarten. Der Zugang sollte für Brixner und deren Gäste kostenfrei sein und damit eine echte und würdige Attraktion der Ruhe und Besinnung gegenüber der betriebsamen „Shoppingmeile“ der Altstadtlauben und dem lebhaften Domplatz bilden – auch als Erholungsangebot für die Gäste Brixens.

Das Planungsverfahren

Zu einem ernst gemeinten Verfahren der Bürgerbeteilung gehören folgende Schritte:
• Die Phase der Ideenfindung ohne einschränkende Vorgaben (z.B. Ideenwettbewerb) mit öffentlicher Diskussion der Ergebnisse.
• Die Ausarbeitung von mindestens drei alternativen Vorschlägen mit Kostenrahmen und deren Diskussion in der Bürgerschaft und mit der Denkmalpflege
• Entscheidung mit dem Votum der Bürgerschaft für eine der Varianten
• Ausarbeitung des Planes in der Form eines Workshops, d.h. Diskussion mit den Bürgern und den zuständigen Genehmigungsbehörden über wichtige Planungsstufen.

Ein solches Verfahren erfordert eine fachliche Begleitung und Organisation ohne politische Einflussnahme. Dies sollte durch ein unabhängiges Büro vorgenommen werden.

Im vorliegenden Fall des Hofgartens haben die Brixner Bürger eindeutig die Bevorzugung einer „sanften“ Gestaltung und Öffnung des Hofgartens als Ruhe- und Erholungszone gegenüber einer lauten „Eventlösung“ ausgedrückt. Auf der Basis der von der Landschaftsarchitektin Dr. Eva Schgaguler vorgelegten und sorgfältig ausgearbeiteten Diplomarbeit könnte durchaus weitergearbeitet werden um die weitere Planungszeit abzukürzen. Bei dieser Planung sollten die o.g. Phasen der Bürgerbeteiligung ebenso berücksichtigt werden wie die Beratung durch die Denkmalpflege und andere Gremien der Bürgerschaft.

Die Brixner Architekten stimmen den Überlegungen zu, dass die Stadt im Wettbewerb mit anderen Destinationen steht und sich entsprechend positionieren muss. Eine große Attraktion wird dabei auch der Hofburggarten als Ruhezone auch für die Gäste im Ensemble der Altstadt spielen. Andere Attraktionen müssen noch geschaffen werden. Dazu wird die Seilbahn aus der Altstadt auf die Plose ebenso gehören wie ein Stadthotel für Kongresse oder die landschaftsgärtnerische Gestaltung der nördlichen und südlichen Gewerbezonen, der Ortseinfahrten und des Bahnhofes sowie eine weitergehende Verkehrsberuhigung um die Altstadt im Zusammenhang mit der Westumfahrung

Die Architektenschaft Brixens im November 2010
Andreas Gottlieb Hempel



:: Home :: Impressum :: Sitemap

15.01.2020
Häuser des Jahres

15.01.2020
Die Bozner Freiheitsstraße

Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
Otto von Guggenberg Str. 46   I-39042 Brixen (BZ)   Italien
Tel Studio 0039-0472-836317   mobil 0039-349-7969334
privat 0039-0472-679076   e-mail info@agh.bz
Seite drucken Webseite zu den Favoriten hinzufügen