Dienstag, 16.11.2010 | Von außen betrachtet Der Abrissparagraph

Von außen betrachtet

Der Abrissparagraph

Am Donnerstag dieser Woche berichtete die Baukulturseite dieser Zeitung von den erfolgreichen Bemühungen im Schweizer Engadin alte Bauernhäuser durch Umnutzung zu erhalten. Dadurch findet nicht nur eine bäuerliche Baukultur ihre Fortsetzung in den einzelnen umfunktionierten Höfen sondern ganze Dorfbilder behalten ihren Charakter. Sie verlieren nicht wie fast überall durch meist durchschnittliche Neubauten ihre bisherige Identität. Ein gutes Vorbild für Südtirol! Hier sind über die Jahre hinweg immer mehr alte Höfe und schöne Stadel verschwunden. Wer sich erinnert, dem können die Tränen kommen! Vor allem wenn er die üblichen Neubauten im globalisierten alpinen Stil betrachtet, die völlig austauschbar die alten Gebäude ersetzen. Natürlich ist allen klar, dass die Bauernfamilien am Wohnkomfort der neuen Zeit teilnehmen wollen, von den Raumhöhen bis zu Küche und Bad. Aber all diese Annehmlichkeiten lassen sich mit einigem Geschick auch in alten Häusern unterbringen. Das verhindert aber der Artikel 107 des Raumordnungsgesetzes. Er war eigentlich gegen die Zersiedelung gedacht, begünstigt aber den Neubau eines landwirtschaftlichen Wohngebäudes mit normalerweise der gleichen Kubatur wie im Altbau unter Voraussetzung, dass dieser dann abgerissen wird – vorausgesetzt, dass der Altbau nicht unter Denkmalschutz steht, was aber nur sehr wenige Höfe betrifft. Kubatur ist aber nicht gleich Baukultur, Baugeschichte, Bautradition, Familiengeschichte und regionale Identität. Auch kann dem bäuerlichen Betrieb der nutzlose Bauunterhalt des Altbaus nicht zugemutet werden. Es gäbe da aber zwei Lösungen: die eine wären finanzielle und steuerliche Erleichterungen bei einer angemessener Renovierung des alten Hofes oder bei Neubau Verkauf oder Verpachtung des Altbaus z.B. als Zweitwohnung.. Hier hat sich in anderen alpinen Gegenden ohne den § 107 gezeigt, dass die neuen Pächter oder Käufer ihr altes Bauernhaus wie ihren Augapfel pflegen und bewahren. Alles besser als der Abriss, bei dem bald nichts mehr von der einstigen ländlichen Baukultur Südtirols übrig bleiben wird.

Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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