Dienstag, 16.11.2010 | Dolomiten Ein Nachruf von Außen Othmar Barth ein Großer ging – seine Spur bleibt Dolomiten Ein Nachruf von Außen Othmar Barth ein Großer ging – seine Spur bleibt

Dolomiten

Ein Nachruf von Außen

Othmar Barth
ein Großer ging – seine Spur bleibt

Für uns Münchner Studenten zu Beginn der 1960er Jahre war Südtirol auf der Architekturlandkarte ein weißer Fleck. Man fuhr nach Schweden um scandinavian design zu erleben oder in die Schweiz um seidigen Sichtbeton zu bewundern. Aus Südtirol dagegen kam billiger Wein in Zweiliterflaschen vom Kalterersee für unsere Gelage. Bis unser Professor an der TU, Franz Hart, von einem beachtlichen Projekt in Brixen berichtete: der Cusanus-Akademie von Othmar Barth. Nie gehört.
Es waren wohl nur wenige von den rund vierhundert Studenten meines Semesters, die wirklich hinfuhren. Für mich war es der Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit Südtirol und später auch mit Othmar Barth. Ich war begeistert von der Cusanus-Akademie und bin es noch heute. Sie steht da wie am ersten Tag, abgesehen von der sanften Patina, die sich auf den sauber gefugten Ziegeln gebildet hat. Der Maßstab des Gebäudes ordnet sich dem barocken Hauptgebäude unter und behauptet sich doch eigenständig durch die andere Materialwahl. Der große Innenraum beeindruckt mit einer ausgeklügelten Lichtführung und raffinierten Reflexen. Alles funktioniert tadellos und ist längst selbstverständlicher Teil des öffentlichen Lebens in Brixen. Später bewunderte ich das Gebäude der Steyler Schwestern. Perfekt ist die große Baumasse zurückhaltend in den Hügel am Waldrand bei Payrdorf gesetzt worden, von weiten ist sie kaum zu bemerken. Ähnlich das Herberthaus in Brixen, das mit dem Weinbergs am Kranebitt verwachsen ist und die Linien der Trockenmauern fortführt - ein besonderes Stück Baukulturlandschaft, das erst jetzt durch einen aufdringlichen Nachbarbau gestört wird. Aber nicht nur in Brixen hat Barth gebaut: wer nach Pordenone im Veneto kommt, kann kaum glauben, dass sein Pfarrzentrum nicht schon immer dort gestanden hat, so selbstverständlich fügt es sich ein – ohne sich gesichtslos unterzuordnen. Beim Neubau des Bischofsitzes in Bozen hat der Architekt klug jede formale Konkurrenz zur Domkirche vermieden sondern den städtischen Kontext selbstbewusst und selbstverständlich weitergebaut.

Dem genius loci und nicht der Selbstdarstellung war Othmar Barth verpflichtet, nicht irgendeiner gerade gängigen Architekturmode. Mit seinem Gespür für die Besonderheit eines jeden Ortes hat er mit seiner daraufhin entworfenen Architektur eine zeitlose Dauerhaftigkeit erreicht, die heute gerne als Nachhaltigkeit bezeichnet wird. Der große Atem ist seinen Bauten ebenso zu eigen wie das perfekte Detail – Altersschäden sind nicht wahrzunehmen. Diese Liebe zum Detail hat er sich vermutlich in der väterlichen Schreinerwerkstatt abgeschaut von wo er wohl auch die schnörkellose Klarheit mitgebracht hat. Klare Ausdrucksweise zeichnete aber auch seine Sprache aus und machte ihn dadurch zu einem guten Lehrer. Othmar Barth war der Pionier einer ganz eigenen architektonischen Moderne, die in Südtirol erst spät angekommen ist. Der italienische razionalismo der Faschistenzeit wurde als Besatzerarchitektur hier nicht akzeptiert, die wenigen eigenständigen Bauten der Zwischenkriegszeit von Architekten wie Lois Welzenbacher oder Clemens Holzmeister fanden keine Nachfolge in der meist gesichtslosen Schwemme der Nachkriegsbauten. Erst Othmar Barth hat die neue Spur einer zeitgenössischen Architektur jenseits der internationalen Tagesmoden gelegt und wurde gerade deshalb von internationaler Bedeutung.

Am schönsten kommt das alles bei meinem Lieblingsprojekt dieses sensiblen Architekten zum Ausdruck: dem schon 1973 fertiggestellten Hotel Ambach am Kalterersee. Ein strahlendes Juwel in einer von Bausünden gefährdeten Landschaft, frisch wie bei der Einweihung und das Gegenstück zu den gängigen Kitschhotels mit falsch verstandenen pseudotiroler Details. Vor zwei Jahren konnte ich noch ein Interview mit diesem Altmeister zeitgemäßer Architektur und einem seiner ehemaligen Studenten, Gerd Bergmeister, für das Buch „Architektur in Südtirol“ machen. Auch dabei kam wieder zutage, dass es ihm wichtig war Sehen zu lehren in einer Zeit in der viel Schönes nicht mehr wahrgenommen und viel Hässliches übersehen wird. Dazu postum noch meinen Dank – auch für die Tatsache, dass manche der jungen Kollegen nun seinen Spuren folgen. Denn Baumeister wie Othmar Barth braucht unsere Zeit.

Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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