Dienstag, 16.11.2010 | TV-Erpressung

TV-Erpressung

Seit dem 11.11.11 Uhr 11 herrscht bei uns im Eisacktal nach der RAI-TV-Umstellung nicht etwa ausgelassene Faschingsstimmung sondern die blanke Wut. Der Ausdruck „digital-terrestrisch“ wurde am Frühstückstisch zum Unwort des Jahres erhoben. Die abendlichen Stunden ohne Fernsehen führten zu einem erheblichen Reizpotenzial in der sonst so friedlichen Stimmung bei Flaschenbier und Filzpantoffeln. Auf der Mattscheibe findet sich Schneetreiben oder ein an sich beruhigendes Blau, das man dem novemberlichen Himmel wünscht. Solange noch Empfang war, herrschte Jubel bei der RAI: alles würde besser, die Umstellung sei kinderleicht und wir würden herrlichen, blitzblanken und strahlenden digital-terrestrischen Zeiten entgegengeführt. Dem mental etwas einfach gestrickten Hausmeister im Reklametrail der RAI für die Umstellung fiel sogar ein nigelnagelneuer Decoder kostenlos von der Decke in den Schoß. Uns fiel nichts in den Schoß. Wir fielen vielmehr aus allen Wolken als uns der Meister des Fernsehladens erklärte, dass unser – noch ziemlich neuer Decoder – „eigentlich“ funktionieren müsse. Das Dumme ist nur, dass er nicht funktioniert. „Dann muss das an der Antenne liegen,“ meinte der Meister und fügte mit sadistischem Unterton hinzu: „Lieferzeit – aber derweil montiere ich Ihnen einen zusätzlichen Decoder, macht 98.- Euro!“ Wir haben jetzt drei Fernbedienungen und eine selbstverfasste Bedienungsanleitung. Und auf dem Bildschirm schneit es. Oder ist wahlweise blau. So wie ich, denn der Bierkonsum hat sich stark erhöht um die Spannung abzubauen. Gestern haben wir beschlossen, ein neues Leben anzufangen. Wir werden unseren noch ziemlich neuen Fernseher im Wertstoffhof entsorgen, denn keiner will ihn haben. Jeder hat schon einen oder zwei oder auch drei. Wir werden aber keine Fernsehgebühr mehr zahlen – sie entspricht preislich etwa drei schönen Kunstdruckbänden des Athesia-Verlags. Die werden jetzt in den dunklen Wintertagen gelesen. Dabei hatten wir vor dem 11.11. immer ein so schönes klares Bild. Von allem - auch von der RAI.

Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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