Von außen betrachtet
Reichhaltig
Jeder Reisende kennt diesen Lieblingsausdruck der Hoteliers um das Frühstücksbuffet anzupreisen. Mit Bio-Vital-Körnerecke. Ich bin doch kein Huhn! Nach einem süffigen Abend bin ich morgens noch nicht so gut drauf. Ich möchte mich gemütlich hinsetzen. Erstmal einen espresso. Keinen Doppelten, wie der deutsche Gast im allgemeinen. Aber auch keinen, den ich nachher auf der Rechnung wiederfinde. Dafür verzichte ich gerne auf die lauwarme Brühe im Kännchen, die mir die muffige Azubi grußlos auf den Tisch stellen will. Aber auch sie wurde wegrationalisiert. Der Gast muss sich nun an eine gigantische Kaffeemaschine bemühen. Dort erhält er unter mopedartigem Getöse eine Tasse Kaffee – vorausgesetzt er hat die richtige Tasse gewählt, sie an die richtige Stelle gestellt und den richtigen Knopf gedrückt. Sonst ist ihm schadenfrohes Grinsen der anderen Gäste sicher. Während der Kaffee nun am Tisch auskühlt stehe ich an einer Eierkochmaschine, vier Minuten. Weitere Minuten muss ich an einem Toaster mit Fließband verbringen – wenn ich nicht dort Wache halte ist der Toast weg. Ei und Kaffee sind inzwischen kalt während mich eine übellaunige Person am Tisch aufsucht und drohend nach meiner Zimmernummer fragt. Wie war die gleich? Auf der Chipkarte statt Zimmerschlüssel steht nichts. Gott sei Dank kommt meine Frau in diesem kritischen Moment und weiß die Nummer. Sie hat einen Teller mit Frühstücksallerlei angehäuft. Butter, Käse und Marmelade in Miniportionen, deren Verpackungen in einen Plastikbecher entsorgt werden mit der fünfsprachigen Aufschrift „Guten Morgen“ – sagt ja auch sonst keiner.
Trotzdem, es fehlt noch Brot, Aufstehen und Rückkehr. Ach, und Yoghurt. Aufstehen und Rückkehr. 17 mal wiederholt sich diese Wanderschaft auf noch wackligen Beinen. Dazwischen niest ein stark erkälteter Gast über der Aufschnittplatte. Wir träumen von einem geruhsamen Frühstück, am Tisch serviert, von einer netten Dame, die uns fröhlich „Guten Morgen“ wünscht. Das kann doch nicht so schwer sein. Der Gast ist König, nicht Kellner. Und: selfservice is no service.
Andreas Gottlieb Hempel