Dienstag, 16.11.2010 | Dolomiten Baukultur Mai 2010

Dolomiten Baukultur Mai 2010

Um-Bau-Welt-Kultur

Wir haben diesen Titel gewählt um zu zeigen, wie eng verschränkt Baukultur und Umwelt sind. Ohne eine sorgfältig beachtete Umwelt wird es keine achtbare Baukultur geben. Und eine Kulturlandschaft kann es nicht ohne Baukultur geben – Südtirol bietet die beste Anschauung dazu

Die Wüste lebt
Mit den „Grenzen des Wachstums“, dem Waldsterben, dem sauren Regen, dem Ozonloch, den Feinstaubwerten, der Strahlungsbelastung, dem Elektrosmog, der alles durchdringenden Lärmberieselung fing alles an und geht es bis heute weiter. Da hilft kein Shopping, keine schöne neue Kunstwelt aus Urlaubskulissen, nicht die zur Sportarena hergerichteten Berglandschaften für Skifahrer. Die komfortable Umwelt der Ferienwohnungen und -kondominien bringt es ebenso wenig wie die Selbstbestätigung mit luxuriösen Autos, Bikes und anderem Freizeitspielzeug aus ständiger Überproduktion. Von Dingen, die eigentlich kein Mensch bei uns mehr braucht, während anderen Menschen auf dieser Welt einfach z.B. das klare Wasser ausgeht – am vertrocknenden Aralsee, am Rand der Zivilisationswüsten oder auch in den sogenannten Urlaubsparadiesen jenseits des Zaunes, der den Spaßclub von den darbenden Einheimischen abtrennt. Die Umwelt im globalen Maßstab ist wohl kaum noch zu retten.

Think globally act locally
Das war der Streitruf der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, die als Vorsitzende der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 den Leitsatz formulierte: „Eine Entwicklung ist nur dann dauerhaft, wenn sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt ohne jene künftiger Generationen nicht mehr befriedigen zu können.“ Aus diesem Satz ist der Begriff sustainable development- nachhaltige Entwicklung entstanden – den zwar heute viele Politiker aller Parteien im Mund führen meist jedoch ohne Taten folgen zu lassen. Damals wollten wir umweltbegeistert noch die ganze Welt auf einmal retten. Heute lassen wir längst deprimiert die Schultern hängen und sind schon froh, wenn wir uns wenigstens zu Hause um eine einigermaßen heile Umwelt sorgen. Mit Mülltrennung und so. Niemand kann sich der gesellschaftlichen Strömung ganz entziehen und gegen die Strömung schwimmen, schon gar nicht wenn sie so dreckbraun dahergeschwemmt kommt wie der Eisack bei Brixen wenn in Franzensfeste wieder einmal das Staubecken abgelassen wird um die Sedimente fischbrutvernichtend bis in die Adria zu spülen.

Yes we can – locally!
Natürlich können wir vor Ort und nicht nur zuhause etwas tun für eine Umwelt, die wie das darin geplante Bauen den Zusatz -kultur verdient! Ein gutes Beispiel war (und ist leider nicht mehr!) der Umweltbund/Legambiente Brixen-Bruneck, 1990 gegründet von einer Gruppe nachhaltig – also weitsichtig! – denkender Bürger unter dem Vorsitz von Klauspeter Dissinger, der diese Sektion der italienischen Legambiente zusammen mit der unermüdlichen Dagmar Gnieser fast zwanzig Jahre lang als David gegen den Goliath des alltäglichen Umweltverbrauchs führte und dabei so manche Initiative einbringen konnte, die heute wie selbstverständlich zum Alltagsprogramm fast aller politischen Parteien gehört – auch wenn sie nicht immer ausgeführt werden und die schwache Umwelt immer wieder dem Druck des wirtschaftlich Stärkeren weichen muss. Man denke da nur einmal an Baugründe im landwirtschaftlichen Grün, auf der Seiser Alm, an Kiesgruben, breitere Straßen, Liftplanungen im Weltkulturerbe der Dolomiten usw. – die Liste ist lang.

Vorschläge – einmal anders
Etwa zum Verkehr: Mobilität ja, aber anders. Mehr auf der Schiene, mit dem Citybus, auf Radwegen und in Fußgängerzonen – weniger Emissionen, weniger Kosten für den Einzelnen und insgesamt höhere Lebensqualität für alle. In Brixen hat der Umweltbund die Idee des Citybus wiederbelebt. Leider wurden Vorschläge für das Radwegenetz nur teilweise umgesetzt und auf den Zebrastreifen herrscht immer noch High Noon. Da muss sich die Mentalität der Autofahrer ändern.
Etwa zur Energie: Die Aufrufe zum Energiesparen – dem größten Potenzial! -scheinen ungehört zu verhallen. Das geht wohl nur über den Preis. In Brixen wurde das Fernheiznetz realisiert – leider mit fossilen Brennstoffen, gegen die Warnungen des Umweltbundes. Überhaupt lag die Kraft dieses Davids gegen den Goliath der gedankenlosen Gewohnheit hauptsächlich in der Phantasie seiner Aktionen, Projekte, Vorträge, Anregungen und Aufklärung.

Wer Ohren hatte konnte hören.
Die meisten schienen sich aber die Ohren zuzuhalten, denn es waren nicht immer angenehme Wahrheiten, die man über eine nachhaltige Zukunft zu hören bekam. Jetzt ist diese Stimme verstummt. Die Mitglieder trafen sich ein letztes Mal, der Verein wurde aufgelöst, noch ein Glas Wein auf die nächste Generation. Aber auch aus der fand sich niemand um den Umweltbund/Legambiente Brixen-Bruneck fortzuführen. Ist Umweltschutz out oder ein unverbindliches Allerweltsthema bei allen Parteien geworden? Überdecken die Sorgen einer momentanen Wirtschaftskrise bei hohem Lebensstandard das Bewusstsein für die sich anbahnende Umweltkatastrophe derart, dass wir glauben locally sei doch alles in Ordnung? Ist es aber nicht!

Andreas Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
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