Dienstag, 16.11.2010 | Dolomiten Baukultur Juli 2010

Dolomiten Baukultur Juli 2010

Schürfen im Bergwerk der Ideen

Voller Sehenswürdigkeiten und landschaftlicher Schönheiten zeigt sich das Ridnauntal. Es blickt auf eine 800-jährige Bergbaugeschichte zurück. Ein Museum, Rundgänge, Stollenwanderungen von unterschiedlicher Länge und Filmvorführungen gehören für die etwa 50.000 Besucher im Jahr dazu.

Nun muss ein Neubau für den Eingang zum Landesbergbaumuseum in Ridnaun / Schneeberg geschaffen werden. Dies soll der geschichtlichen, wirtschaftlichen und landschaftlichen Bedeutung des Bergwerkes im Ridnauntal ein angemessenes Entrée verschaffen, an dem es bisher gefehlt hat.

Zwischen Kitsch und Industrie

Trotz der vielen Besucher hat es dem Talschluss im Ridnaun an etwas gefehlt: dem würdigen Empfang in einer der für die Geschichte Tirols wichtigsten Stellen. Der Reichtum Tirols unter den Grafen von Tirol mit eigener Münzprägung basierte auch auf diesem Bergwerk mit Blei- und Silbervorkommen. Um 1486 erreichte er mit 70 Stollen und 1000 Knappen für etwa hundert Jahre seine Blüte. Mit diesem Reichtum konnten die in einer Feuersbrunst1443 abgebrannten Stadtteile Sterzings in nur 15 Jahren als „Neustadt“ wieder aufgebaut werden. Erst durch den Raubbau der Fugger und die Entdeckung der südamerikanischen Silbervorkommen beginnt um 1600 der Niedergang. Bis 1985 wird noch in geringem Umfang geschürft. Heute ist das ehemals höchstgelegene Bergwerk Europas als „Erlebnisbergwerk“ über das Bergbaumuseum in Maiern zu besichtigen. Das Dorf Maiern, noch vor dem Bergwerk gelegen, zeichnet sich hauptsächlich durch den Deko-Kitsch eines zu großen Hotels und neue Allerweltsneubauten aus. Sehenswert ist nur das 1390 schon erwähnte Kirchlein St. Lorenz und der uralte Pfitscherhof mit Bauteilen aus dem 16. Jh. sowie oberhalb der höchste Hof des Tales, der Stauder (1566 m). Hinter Maiern trifft man dann auf eine eindrucksvolle, endzeitlich wirkende Industriebrache: das Bergwerksensemble i.R. Ein bunt durcheinandergewürfelter Haufen mit rostigen Loren, Schienenresten, Hütten und staubigen Parkplätzen – nichts, was auf den ersten Blick an die wirkliche Bedeutung der Silbergruben erinnert oder den Ort anziehend wirken ließe.

Das Bergbaumuseum
Als Lichtblick entpuppet sich dann beim Nähertreten die gastliche Knappenstube mit schöner Sonnenterrasse, die 1772 erbaute und hübsch renovierte Kapelle „Maria im Schnee“ und das interessant eingerichtete Bergwerksmuseum mit opulenten WC-Anlagen. In einem rückseitig gelegenen Kassaraum können die Tickets für die verschiedenen Besichtigungstouren und Stollenexkursionen von unterschiedlichster Dauer und Reiseandenken aus Mineralien gekauft werden. In den vergangenen Jahren sind immer wieder bauliche Eingriffe vom Bautenressort der Landesregierung vorgenommen worden, die aber nicht zu einer Zusammenfassung der vereinzelt dastehenden Bautenteile und ihrer Funktionen geführt haben. Höchste Zeit also, dass hier ein roter Faden vom Empfang bis zum Museum und zu den Führungen ensteht, der von einem attraktiven Eingangsgebäude aus die einzelnen Bereiche verbinden kann. Der Entwurf für dieses Gebäude als neueste Baumaßnahme um das ehemalige Bergwerk herum ist nun über einen Architektenwettbewerb ermittelt worden.

Der Architektenwettbewerb
Ein Architektenwettbewerb ist kein Kostenwettbewerb, sondern hier geht es um die beste Idee für ein Bauvorhaben, die von einer Jury aus dem breiten Angebot unterschiedlichster Vorschläge ausgewählt wird, das die teilnehmenden Architekten nach erheblichem Arbeitsaufwand kostenlos und anonym vorlegen. Nur die Preisträger und Anerkennungen erhalten am Ende Geld für ihre Leistung. Dennoch ist das Verfahren eine Chance für beide, Bauherrn und Architekten. Der Bauherr erhält einen Überblick der Lösungsmöglichkeiten und kann die beste Arbeit aussuchen und der ausgewählte Architekt erhält hoffentlich den Auftrag. Bei dieser Aufgabe ging es um einen Kostenrahmen von 2,2 Mio. Euro. Dafür hatten sich europaweit 53 Planungsteams in einem Vorauswahlverfahren beworben. Die Jury bestimmte 15 Architektengruppen für die zweite, die eigentliche Entwurfsstufe aus und prämierte nach dieser Ausarbeitungsphase schließlich drei Preisträger:

1. Preis: Arch. Wolfgang Piller u. Peter Plattner, Bozen
2. Preis: Arch. Carlo Calderan u. Rinaldo Zanovello, Bozen
3. Preis: Arch. Walter Pardeller, Josef Putzer u. Michael Scherer, Bozen
Anerkennungen erhielten:
Arch. Heinrich Mutschlechner, Gerhard Mahlknecht u. Kurt Egger, Bruneck
Arch. Venanzio Prozzi, Pescara
Arch. Helmut Stifter u. Angelika Bachmann, Pfalzen / Bruneck

Der 1. Preis, der nun gebaut werden soll, zeichnet sich durch den sensiblen Umgang mit der besonderen Situation und dem historischen Bestand der Bergwerkseinrichtungen aus. Mit dem weitgehend unterirdisch angelegten Zugang durch einen bestehenden Bau mit den erforderlichen Räumen gelingt es die bisher vereinzelt liegenden Bereiche über mehrere Ebenen in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Das Schürfen im Bergwerk der Ideen hat sich also für diese besondere Situation gelohnt! Auch hier sei dem Ressortdirektor für Bauten, Dr. arch. Josef March Dank.

Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
Otto von Guggenberg Str. 46   I-39042 Brixen (BZ)   Italien
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