Dienstag, 16.11.2010 | Dolomiten Baukultur September 2010

Dolomiten Baukultur September 2010

WeinBauKultur in Tramin

Tramin gilt als eines der ältesten Weindörfer – schon der römische Schriftsteller Plinius erwähnt den von seinem Kaiser geschätzten Traminer Wein. Heute berichten wir über neueste Bauten um den Wein in Tramin.

Die Moderne in Tramin
Trotz des berühmten Namens und einigem Fremdenverkehr ist Tramin immer noch ein gemütliches Weindorf geblieben. Zahlreiche neue Bauten verändern nun aber das Gesicht des Dorfes. Dabei ist einiges an guter neuer Architektur zu sehen. Neben ein paar bemerkenswerten Wohnhäusern sind die Schulen und die Weingüter als herausragende Beispiele zu nennen. Unter den Weingütern hat schon vor einigen Jahren das Weingut Hofstätter mit dem Architekten Walter Angonese mutig einen holzverkleideten Turmbau zwischen dem alten Ansitz der Kellerei und dem 93 m hohen gotischen Turm der Pfarrkirche gebaut. Der Verkostungsraum befindet sich ganz oben unter einem auskragenden Flachdach, dessen Kante die Geschossunterteilung des benachbarten Kirchturms präzis aufnimmt. Der Neubau  begleitet im warmen Holzton den Sandstein der Kirche farblich in schöner Harmonie– eine mit Sensibilität gelungene Einfügung zu der später noch eine gut gestaltete Vinothek im Hof dazukam. Es gibt also schon so etwas wie eine Tradition der Moderne neben den historischen Bauwerken des Dorfes. Über den Neubau des Weinbistros „Le verre capricieux“ am Weingut Walch berichtet die nebenstehende Spalte – hier soll der Umbau der Kellerei Tramin vorgestellt werden.

Die Kellerei Tramin
Als eine der ersten Kellereigenossenschaften Südtirols wurde die Kellerei Tramin 1898 gegründet. Heute bewirtschaften 280 Mitglieder eine Rebfläche von 230 ha und es werden ca. 1.5 Mio. 0,75-l-Flaschen jährlich produziert. Die Kellerei wurde am nördlichen Ortsrand auf steil abfallendem Gelände gebaut und war bis zum geplanten Umbau, der heuer beendet wurde, architektonisch nicht weiter bemerkenswert – ein ziemlich gewöhnlicher Gewerbebau mit einem biederen Verkostungspavillon. Das bauliche Erscheinungsbild stand in keinem Verhältnis zu den höchst anerkannten Weinen. Die Zeiten haben sich aber geändert. Heute gehört zur erfolgreichen Vermarktung von Spitzenweinen auch eine entsprechende architektonische Präsentation, die möglichst einen hohen Symbolwert haben sollte. Der Kunde möchte sich mit seinem Weingut identifizieren und es auch über das Erscheinungsbild weiterempfehlen können.

Der Umbau
Die Kellerei Tramin veranstaltete für den Umbau einen geladenen Entwurfswettbewerb unter sechs Architekten. Die Aufgabe war, einerseits eine der Schlüsselposition am Ortseingang entsprechende gestalterische Lösung anzubieten und andererseits möglichst wenig in die direkt angrenzenden wertvollen Weinberge einzugreifen. Das Projekt des Vinschger Architekten Werner Tscholl – er war auch der Architekt für die Einbauten des Messner Mountain Museum auf Schloss Sigmundskron – wurde ausgewählt. Tscholl nutzte die Hanglage für die Funktionen indem er die Kundenvorfahrt und die Kellereianlieferung übereinander anordnete und damit zu einer strengen Konzentration des Gebäudes kam, das den Altbau in der Mitte und die Neubauteile als Flügelbauten um den Vorfahrtshof und die darunter liegende Anlieferung vorsah. Formal ging Tscholl ganz neue Wege: Sein Vorschlag entwickelte sich aus der Analyse der bizarren Formen der Rebstöcke, die er in die stilisierte Gestalt einer Stahlkonstruktion übersetzte. Diese zunächst sehr ungewöhnlich wirkende Konstruktion trägt die dahinter liegenden geschosshohen Glasfassaden der Verkaufs-, Verkostungs- und Verwaltungsräume. Von außen nicht sichtbar, da in das Erdreich eingefügt, sind die notwendigen Erweiterungen für die Traubenverarbeitung und einen sehr eindrucksvollen, ganz in Rot gehaltenen Barriquekeller, der sich auch für besondere Veranstaltungen eignet.

Die Erscheinung
Die neue Baugruppe bildet nun den nördlichen – bisher nicht sonderlich attraktiven – Ortseingang von Tramin. Mit einer Geste, die zwei ausgebreiteten Armen entspricht, öffnen sich die zwei neuen Flügelbauten vor dem bestehenden Gebäude dem Ankommenden, der so im Weindorf Tramin durch die bedeutendste Weinkellerei des Ortes gewissermaßen einladend willkommen geheißen wird. Der U-förmige neue Bauteil ist dem Bestand so vorgelagert, das man diesen zunächst nicht mehr als ersten Eindruck wahrnimmt. Die Besucher betreten über den Anfahrtshof den erdgeschossigen Verkaufsraum und dann den darüber angeordneten Saal für Verkostungen. Aus beiden Räumen geht der Blick durch die ganz aus Glas bestehenden Außenwänden über endlos erscheinende Rebflächen zum Kalterersee, zum Mitterberg und zur alpinen Formation der Mendel mit dem Hausberg von Tramin, dem Roen (2.116 m). In seiner äußeren Erscheinung und dann im Inneren entwickelt der Bau nun einen hoch qualifizierten Symbolwert nicht nur für die dort erzeugten Weine sondern auch städtebaulich für einen unverwechselbaren Ortseingang des Weindorfes, das dadurch eine markante Begrenzung erhält. Er istd bereits zum Reiseziel architekturbegeisterter Weinfreunde geworden.

Andreas Gottlieb Hempel



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Andreas Gottlieb Hempel
Prof. Dipl.-Ing. Architekt & Publizist
Otto von Guggenberg Str. 46   I-39042 Brixen (BZ)   Italien
Tel Studio 0039-0472-836317   mobil 0039-349-7969334
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